Neues vom Verleger
Freitags, irgendwann ...
Also, was Ad angeht, kriege ich langsam ein
flaumiges Gefühl in der Magengegend. Der hat einfach ein Interview mit mir
erfunden und es dem NNB untergejubelt. Mit Bild! Erzählt der mir so nebenbei
beim Bier! Ich finde, das geht eindeutig zu weit! Und das wollte ich ihm gestern
gerade sagen, als Berti hereinkam. Ich habe gleich gemerkt, mit den beiden, das
wird nichts. Wer leider absolut gar nichts gemerkt hat, war Ad.
Er haut Berti auf die Schulter und greint:
„Lass mich raten: Du bist der Berti mit dem Buchladen?“
Und Berti? Streckt Ad die Rechte hin: „Guten
Abend, der Herr. Buchmann, mein Name.“
Zum Glück ist Ad schmerzfrei. Der grinst noch
mehr, nimmt die Hand und schüttelt sie, dass Bertis Brille wackelt. „Freut mich,
Herr Buchmann. Eduard Weber, mein Name. Sie dürfen aber gern Ad und Du
sagen.“
Berti nickt, sagt überaus freundlich: „Ich
freue mich, Sie kennenzulernen, Herr Weber“, und schaut dann mich an wie der
Feldwebel den Soldaten, der vom Desertieren heimkommt. Mir ist das alles sowas
von peinlich.
Da hilft nicht mal, dass Willi kommt und Berti
das Bier hinstellt: „Guten Abend, Herr Buchmann. Drei Minuten. Extra für
Sie.“
„Und ich?“, frage ich.
„Dauert noch vier Minuten“, sagt Willi und
verschwindet wieder hinter seiner Theke.
„Für mich bitte auch noch eins!“, ruft Ad ihm
hinterher. Ich habe längst den Verdacht, dass der in Wahrheit gar kein Bier
trinkt. Das macht er nur, um mir zu imponieren. Damit ich ihn nicht rauswerfe,
den selbsternannten Pressechef und Marketingleiter.
Ich versuche, mit Berti ein Gespräch
anzufangen, aber ich merke, dass er heute Abend nicht recht reden will. Und dann
ärgere ich mich doch etwas über ihn: Für wen hab ich diese Chose denn in die
Welt gebracht? Ich opfere ganze Tage, mach mir einen Kopf und sonst was, um ihm
zu helfen, und er? Spielt die beleidigte Leberwurst!
„Also, ich hätte da eine Idee“, sagt Ad zu ihm.
Und fängt an, ihn zuzuquasseln mit Vorschlägen, wie man den Buchladen on the
Top bringen könnte, und ob Berti schon daran gedacht habe, bei Facebook
einen Account zu eröffnen? Eine moderne Buchhandlung müsse heutzutage
schließlich online sein!
Berti guckt ihn an. Lächelt. Und sagt überaus
freundlich: „Ich habe keine moderne Buchhandlung.“
Und Ad? Der sagt tatsächlich: NICHTS.
Dafür bewundere ich Berti: Der kann so
freundlich sein, dass die Blumen aufblühen, und gleichzeitig seinem Gegenüber
mitteilen, dass es an der Zeit ist, schnellstens den Zug zu wechseln.
Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so
ist. Vielleicht hat es damit zu tun, dass es eigentlich niemanden außer mir
gibt, der sich traut, Berti Berti zu nennen. Sogar Willi sagt Herr Buchmann. An
der Kleidung kann es nicht liegen. Wer genauer hinschaut, sieht schon, dass
Bertis Anzug nicht mehr so ganz der Mode folgt. Und besonders imposant sieht
Berti auch nicht aus. Eher unscheinbar, wenn ich ehrlich bin. Und trotzdem
kriegt er es irgendwie hin, dass jeder ihn respektiert, sobald er nur den Raum
betritt. Noch bevor er irgendwas sagt. Na ja, Ausnahmen bestätigen die Regel.
Aber selbst bei Leuten wie Ad reicht zumeist ein Satz. Es muss etwas mit der Art
zu tun haben, wie Berti steht und geht, und vor allem: wie er einen anschaut.
Ich hatte damals auch Mordsrespekt vor ihm, als ich die Bücher für meine
Klassenkameraden bestellt habe. Ohne Perry Rhodan wären wir wohl niemals Freunde
geworden.
Aber das tolle Gefühl, von meinem Bruder
ernstgenommen zu werden, der sonst nichts Besseres zu tun hatte, als mich bei
jeder Gelegenheit zu piesacken, das wollte ich öfter haben. Und nur deshalb bin
ich regelmäßig in die Buchhandlung gegangen, zu diesem ernstschauenden Menschen
mit der runden Brille auf der Nase, der so kluge Sachen sagte und gleichzeitig
unter dem Ladentisch die neuesten Perry-Rhodans versteckte. Und
irgendwann hat er dann ganz ernstfreundlich zu mir gesagt: „Es ist schon
erstaunlich, dass eine Lektüre zwei Menschen zusammenbringt, die keiner von
beiden je gelesen hat, nicht wahr?“
Das hat mir noch mehr imponiert als die
Bewunderung meines Bruders. Und dann hat Berti mir ein Buch geschenkt. Irgendwas
mit Fragezeichen. Und weil ich mich nicht blamieren wollte, hab ich`s halt
gelesen. Und fand es sogar ganz gut. Aber er hat mich gar nicht gefragt, ob es
mir gefallen hat. Er hat gefragt, was ich, wenn ich das Buch geschrieben hätte,
anders gemacht hätte. Erst viel später ist mir aufgegangen, was für ein
raffinierter Hund Berti ist! Doch da hatte er mich längst geködert mit seinen
Lektürevorschlägen, und irgendwann hat er gemeint: „Ich finde, Herr Buchmann
hört sich an wie in der Schule. Aber ich möchte nicht dein Lehrer sein. Und
damit auch gar nicht erst der Verdacht aufkommt, sagst du am besten ab sofort
Berti zu mir.“
Ganz ehrlich: Ich war stolz wie Bolle! Trotzdem
hat es Wochen gedauert, bis ich das wirklich ohne Stolpern über die Lippen
bekommen habe: Berti zu sagen zu einem so gescheiten Mann, der eine
runde Brille und einen ganzen Buchladen hatte. Und der …
(c) Thoni Verlag, Fortsetzung folgt ...
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