Aus den Annalen des Verlegers, der keiner ist ...
Wochenende, wieder mal.
Ich bin froh, dass das
hier keiner liest, aber dafür sind Tagebücher ja da. Und ich gebe zu, dass es
mir wirklich gut tut, ab und zu mal über Dinge schriftlich nachzudenken,
wenngleich es ein gewisses Risiko birgt, dessen ich mir bewusst bin. Zum einen
schreiben Männer keine Tagebücher, und schon gar keine in meiner Position. Das
ist was für Frauen, die frustriert zu Hause sitzen und nicht wissen, was sie mit
ihrer Zeit anfangen sollen. Sagt mein Chef. Aber das braucht mich nicht zu
belasten, denn der glaubt auch, dass er von der Pforte bis zum dritten Stock
beliebt ist. Ich habe mit dem Tagebuchschreiben angefangen, als wir PCs bekamen,
ist also schon eine Weile her. Das Hämmern auf einer Tastatur sieht immer gut
aus. Und wenn man zum Samstags-Arbeiten verdonnert wird, sowieso. Und wenn`s
mich daheim überkommt, schick ich mir die Einträge einfach per Mail.
Statt jetzt hier zu
hocken, wäre ich viel lieber zu Berti in den Laden gegangen. Ich muss mal
ernsthaft mit ihm reden, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass er das nicht hören
will. Wenn ich ehrlich bin: Nach meiner ersten Euphorie und zwei Nächten drüber
schlafen, bin ich auch ein bisschen skeptisch, ob das so das Wahre ist, was
dieser Eddy alias Ad mir da alles ans Ohr erzählt hat.
Aber manchmal lässt
man sich schnell begeistern und stellt das Hirn erst hinterher wieder ein. Wenn
ich jetzt so überlege: Eigentlich war der Typ ja schon ein bisschen, nun:
schmierig ist nicht der richtige Ausdruck, glattgebürstet, trifft`s vielleicht
eher. Mag ich eigentlich nicht so, und wenn ich nicht wegen Bertis Bücherchaos
schon drei Bier zu viel gehabt und ziemlich down gewesen wäre, hätte ich mich
womöglich gar nicht auf den Typen eingelassen. Aber dann habe ich dem sogar von
Bertis Buchladen erzählt und von meiner Idee mit dem Thoni-Verlag. Da hat der
ein richtiges Glitzern in die Augen bekommen: Das sei ja genial! Und ob ich denn
schon ein mediales Werbekonzept hätte? Und dass er Profi auf dem Gebiet sei und
mir helfen könne. Und dann kam auch noch dieser komische Reporter Lustlos -
Rastlos? Ratlos! Und dieser Ad hat die Frechheit besessen, sich als
Marketingleiter meines Verlags zu generieren. Wobei ich sagen muss: Er hat das
gut rübergebracht, und das Gesicht von diesem Rastlos, ähm, Ratlos, das war
schon klasse!
Na ja, ich hab mich
überreden lassen, und eigentlich: Es kann ja nicht viel schiefgehen. Und kosten
tut`s auch nichts. Ad ist also jetzt Leiter der nichtexistenten
Marketingabteilung im Thoni-Verlag, der keine Bücher verlegt. Das hat was!
Gestern haben wir uns
zum zweiten Mal bei Willi getroffen, und Ad hat mich zugelabert mit seinem
multimedialen Konzept, und dass ich unbedingt ins Social Web einsteigen
müsse. Oder so ähnlich. Du kennst doch bestimmt Facebook, Kumpel?
Also, ich kann mir
beim besten Willen nicht vorstellen, was ich mit dem Thoni-Verlag bei Facebook
soll. Was ich überhaupt da soll! Ich geb`s zu: Ich habe vor einiger
Zeit mal versucht, bei Facebook einen Account zu eröffnen, weil alle meinen,
ohne das ginge es nicht mehr. Aber ich kann ja nicht mit meinem richtigen Namen
rein - wegen meiner Tätigkeit hier. Neugierig war ich allerdings schon. Also
habe ich mich von unserer Kundenkartei inspirieren lassen und dazu ein frühes
Foto von meiner Oma hochgeladen. Und dann ist man zwar „drin“, steht aber erst
mal in einem virtuellen leeren Raum und ist versucht zu rufen: He, wo sind die
Millionen? Freunde soll man einladen - wie denn? Mein Freund Berti ist ganz
bestimmt nicht bei Facebook! Dann habe ich spaßeshalber den Namen von dem Depp
aus der zweiten Etage eingegeben, der den ganzen Tag nur blödes Zeug erzählt und
die Kollegen vom Arbeiten abhält, und was sehe ich da: 3578 Freunde, 197 Fotos,
285 Pinnwandeinträge, 27 Gruppen.
Wenn ich überlege, wie
lange es gedauert hat, bis Berti und ich das waren: FREUNDE. Und der Simpel da
unten hat 3578 davon? Das würde ja fast zehn Jahre dauern, bis er mit jedem von
denen mal ein Bier getrunken hat - die Wochenenden mit eingerechnet! Ich weiß
nicht, was mich geritten hat, aber als zweites habe ich den Namen meiner Oma ins
Suchfeld gesetzt. Mich hat`s fast vom Hocker gehauen: MEINE OMA IST BEI
FACEBOOK! Und auch noch mit dem gleichen Bild! In diesem Moment wusste ich, dass
es angeraten war, mich virtuell schnellstens aus dem Staub zu machen. Facebook?
Never ever!
Und das hab ich dem Ad
auch gesagt. Und was macht der? Was er am liebsten macht: GRINST. Lass mal,
Kumpel. Kümmere du dich ums operative Geschäft. Ich kümmere mich ums
Marketing. WELCHES OPERATIVE GESCHÄFT?
Ich bin mir wirklich
nicht mehr sicher, ob das mit Ad so eine gute Idee war. Und Berti weiß auch noch
nichts davon.
(c) Thoni Verlag
(c) Thoni Verlag
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