Donnerstag, 31. Dezember 2015

Abgesang

Natürlich macht man sich als Autor Gedanken, natürlich will man als Autor für seine Leser schreiben. Manchen Autoren genügt dieses Schreiben nur für den Leser; sie richten sich ganz und gar auf "ihre" Leser ein, sondieren Trends, sortieren sich schon vor dem Schreiben selbst und ihre Geschichten in Genres ein - oder sie werden (vom Verlag, von Agenten und anderen "Büchermachern" und -vermarktern) in passende Schubladen gesteckt. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn man "nur" unterhalten will, und tatsächlich sind damit viele zufrieden: Autoren, weil Serien und nach Schema F schreiben eine relativ sichere Bank sind und das Handwerkliche irgendwann flott von der Hand geht, und/oder weil genau DAS ihre Vorstellung vom Schreiben ist; Verlage, die gern in Schubladen denken, Leser, die ihre Helden lieben und gar nicht schnell genug neues Lesefutter mit alten Zutaten kriegen können, Buchhändler, die sofort wissen, auf welchen Stapel und in welche Regalecke sie das neue Werk einsortieren können, wenn sie es überhaupt ordern. 
 
Ich gebe zu, dass mir das nie genügt hat: Altmodisch mag das klingen, aber ich möchte meinen Lesern "mehr" mitgeben als nur ein Wörterfastfood für den schnellen Hunger zwischendurch. Ich möchte mir erlauben können, hier und da vom Weg ein wenig abzuweichen, auch mal eine schiefe Kurve zu laufen, mit der Sprache zu spielen, Genregrenzen zu missachten, ohne dass ich gleich als "literarisch anspruchsvoll" gelten will oder muss. Gott, ja: Ich gehöre tatsächlich zu dieser sperrigen Spezies von Geschichtenerzählern, die eine Botschaft vermitteln will. Igittigitt, eine Botschaft, und das in den Niederungen der Alltags-bloß-Unterhaltung-mehr-will-ich-nicht-Literatur! Lachen tun sie hier wie da. Die "Unterhalter" herablassend bis sarkastisch: "Wenn Du gelesen werden willst, musst du dich an deine Leser anpassen. Schreiben, was der Markt verlangt." Und was der Markt will und ist, das sagen mir all die klugen Leute, die es ja auch manchmal tatsächlich besser wissen, wenn ich denn die Prämissen anlegte, die sie anlegen. Und die anderen, die hehren Bewahrer und Schützer der Kulturnation? Da klingt das Lachen eher wie der Wind im Wald vor der letzten großen Schlacht im  "Herr der Ringe". Danach Kopfschütteln und dem naiven Schreiberling mal zeigen, was eine Harke ist. Ein Text, den Leser mit Normal-IQ auf Anhieb verstehen, und noch schlimmer, den sie gut und (Igittigitt zum Zweiten!) spannend finden, ist schon aus Prinzip keine Literatur!
 
Da sitze ich nun zwischen meinen beiden Stühlen und gucke irritiert. So war das immer, und ich glaube, es wird sich auch künftig nicht ändern. Was sich gleichwohl geändert hat, sind die Möglichkeiten, die Autoren mittlerweile offenstehen. Seit man das Eigenverlegen in Englisch kommuniziert, nehmen sogar ausgewachsene Verlagsleute und sonstige ernstzunehmende Büchermacher dieses Nogo in den Mund, ohne dabei rot zu werden. Das zaubert jemandem wie mir ein Lächeln ins Gesicht: Habe ich es doch schon in meinem Hauptberuf bei der Kriminalpolizei gelernt, die Farben in der Welt zu sehen und nicht das Schwarzweiß, das gerne darüber gepinselt wird. Wenn es hier und dort Leser gibt, die genau diese "Ecken und Kanten" meiner nicht genrekonformen Bücher entdecken und (positiv) kritisieren - dann ist das für mich ein Geschenk.
 
Heute habe ich wieder eines bekommen. Danke dafür. Ihr seht mich mit einem seligen Lächeln ins neue Jahr entschweben - sobald wir alle gut gerutscht und gelandet sind, geht es selbstverständlich mit der Arbeit weiter. Ich freue mich darauf.

Das Leser-Geschenk ...
Und noch mehr davon bei den "Schneeglöckchenmalern", einer inspirierenden, kreativen und schönen Lese- und Malrunde bei Lovelybooks.
 
 

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