Mittwoch, 9. Januar 2013

Eine Schachtel Alltag - Mühlengespräche mit Nikola Hahn (1)

Thoni Verlag: Die Wassermühle erschien erstmals im Jahr 2000. Im Januar 2013 haben Sie den Roman im Thoni Verlag als eBook herausgegeben. Was bedeutet der Zusatz neu bearbeitete und aktualisierte Ausgabe?

Nikola Hahn: Ursprünglich wollte ich nur die Rechtschreibung an die neuen Regeln anpassen, aber ich stellte erstaunt fest, wie sehr sich die Welt in den vergangenen dreizehn Jahren verändert hat. Ich hatte Die Wassermühle seinerzeit als zeitgenössischen Roman konzipiert, und das wurde dann mein Anspruch beim Überarbeiten: die Geschichte aus dem Alltag von heute zu erzählen. Mit einem bisschen Satzkosmetik war es da leider nicht getan.

Thoni: Das heißt konkret?

N.H.: Dass sich nicht nur gewisse „Modeerscheinungen“ überlebt haben, sondern vor allem die Kommunikationstechnik mittlerweile erheblichen Einfluss auf unser Leben nimmt: Telefone standen noch vor einigen Jahren in der Regel als Festanschluss im Flur oder Wohnzimmer; Handys waren Ende der 1990er Jahre, als ich an der Urfassung der Wassermühle schrieb, zwar hier und da genutzte Zusatzkommunikationsmittel, aber keinesfalls ständiger Begleiter aller Altersgruppen, wie es inzwischen der Fall ist. Auch das Internet war nicht so bestimmend wie heute und die Social Media steckten noch in den Anfängen. Es bedurfte also einiger Überlegungen, meine Geschichte in die Jetztzeit zu überführen. Dazu gehörten auch so profane Dinge wie das vor einem Jahrzehnt noch durchgängig übliche Bezahlen per Scheck, die in der Erstfassung noch munter diskutierte Rechtschreibreform oder das Hochkurbeln von Autoscheiben per Hand. Auch gewisse Abläufe in der polizeilichen Arbeit musste ich überdenken und anpassen.

Thoni: Sie haben also tatsächlich ganze Teile des Romans umgeschrieben?

N.H.: Sagen wir so: Ich habe darauf geachtet, die Logik der Geschichte wiederherzustellen. Zum Glück hat Polizist Klaus eine nervige Mutter, die ihn dazu nötigt, sein Handy öfter mal auszuschalten, wenn er Ruhe haben will. Und in der alten Mühle im tiefsten Odenwald ist der Mobilfunkempfang ohnehin bescheiden. Fensterkurbeln gibt es nur noch in Hedis altersschwachem VW-Bus, und die Beförderungssituation bei der hessischen Polizei hat sich für Klaus insoweit verbessert, dass er inzwischen schon zu Beginn des Romans als Oberkommissar Streife fährt. Was wiederum eine Erklärung nach sich zog, warum ihn der Dienststellenleiter trotzdem nicht leiden kann.

Thoni: Haben Sie die Geschichte darüber hinaus auch inhaltlich bearbeitet?

N.H.: Hier und da waren Anpassungen nötig, weil der zeitliche Bezugsrahmen nicht mehr stimmte. So konnte Klaus mit seinen Kindern nicht mehr, wie noch in der Erstausgabe behauptet, im Foyer des Sheraton-Hotels in Offenbach Wasserball gespielt haben, weil der Umbau vom Parkbad zum Hotel zu lange zurücklag, eben in den 1990er Jahren.

Thoni: Jetzt mal ehrlich: Welcher Leser merkt denn das überhaupt?

N.H. (grinst): Wahrscheinlich keiner. Aber ich bin ja in allen meinen Büchern sehr akribisch mit der Recherche. Und wenn ich historisch belegbare Details nenne, sollten sie auch stimmen. Bei einigen Dingen habe ich mir allerdings bewusst ein bisschen chronologische Freiheit erlaubt. Den Altbau des Offenbacher Stadtkrankenhauses (das übrigens auch bald nicht mehr als solches existieren wird, wenn man den Zeitungsberichten glauben kann) habe ich weiterhin „in Nutzung“, ebenso gewisse etwas ältere, aber durchaus heute noch neckisch klingende Zeitungsberichte. Auch der „aus dem Leben gegriffene“ Dialog von Dragan und Alder von anno 1998 und die malenden Katzen, die in den späten 1990ern eine Zeitlang durch die Medienlandschaft geisterten und mich zu Kättaat inspirierten, haben es in die Neuauflage geschafft.

Thoni: Wenn man die alte Printfassung mit der neuen eBook-Variante vergleicht, fällt auf, dass Sie auch an der Sprache gefeilt und die Dialoge gestrafft haben.

N.H.: Das war eine Arbeit, die mir besondere Freude gemacht hat. Die Erstauflage des Romans wurde damals von einer Außenlektorin ohne Rücksprache mit mir und recht oberflächlich bearbeitet. Es hätten durchaus noch die einen oder anderen Streichungen und Glättungen vorgenommen werden können. Das habe ich nun nachgeholt. Andererseits habe ich aber auch Informationen hinzugefügt, beispielsweise um die Biografien der Protagonisten für den Leser plastischer zu machen.

Thoni: Es gibt in Ihrem Roman zwei große Erzählstränge: der eine behandelt die Geschichte von Hedi Winterfeldt, die mit ihrer etwas überdrehten Freundin Vivienne in eine alte Wassermühle im Odenwald zieht, der andere das berufliche Leben von Hedis Ehemann Klaus, der als Streifenpolizist mit seiner jungen Kollegin allerlei Widrigkeiten des polizeilichen Alltagslebens zu bewältigen hat. Welche der beiden Geschichten war Ihnen wichtiger zu erzählen?

N.H.: Beide sind mir gleich wichtig. Sowohl die junge Polizistin Dagmar, mit der Klaus anfangs so seine Schwierigkeiten hat, als auch die etwas überkandidelte Künstlerin Vivienne, die ein ganz anderes Leben führt als die berufstätige Mutter und Ehefrau Hedi, sind mehr als bloße Staffage.

Thoni: Vivienne erscheint anfangs als Frau, die ihre Wünsche ans Leben voll erfüllen konnte. Im Laufe der Geschichte wird aber deutlich, dass nicht die vom Alltag frustrierte Hedi, sondern die vorgeblich selbstbestimmte Künstlerin die eigentlich tragische Figur ist.

N.H.: Ja. Für ihre Bilder, die, wie sie sagt, Teil ihrer Seele sind, bekommt sie keine Anerkennung, und Liebe erfährt sie bestenfalls als One-Night-Stand. Sie verleugnet nicht nur ihr Alter, sondern auch ihre Ideale. Nur Hedi, die sich – zu Recht –  über sie aufregt, spürt, dass Vivienne bei allen Lügen, die sie ihr und anderen auftischt, eines zutiefst ehrlich meint: Malen ist mein Leben. Aber sie kann dieses Leben mit niemandem teilen.

Thoni: Sie malen ja auch. Sind das Erfahrungen aus Ihrem „künstlerischen Ich“?

N.H. (lacht): Nein. Aber die Exaltiertheit, um nicht zu sagen Blasiertheit gewisser Leute auf die Schippe zu nehmen, die meinen, einen Alleinanspruch auf die Definition wahrer Kunst zu haben, hat mir schon Spaß gemacht. Und „der Maler des Lichts“, Claude Monet, ist nicht nur Viviennes, sondern auch mein großes Vorbild. Vor allem, weil er seinen Garten mit seiner Kunst zu verbinden wusste. Das Spiel mit dem Licht lebe ich allerdings vorwiegend fotografierend aus, wobei ich, ähnlich wie Monet, meinen Garten als Motivspeicher nutze. Bei meinen Zeichnungen bevorzuge ich hingegen die Abstraktion, experimentiere aber auch mit der Wirkung von Farben. Das Faible für Farben und ihre Bedeutung in der Kunst und im Leben habe ich also mit Vivienne gemeinsam. Die von ihr zitierten Werke, insbesondere Kunst der Farbe von Johannes Itten, stehen seit vielen Jahren in meinem Bücherschrank.

Thoni: Vivienne ist aber auch eine Figur, über deren Verdrehtheit der Leser herzlich lachen kann. Genauso wie über die Streiche des wirklich unglaublich ungezogenen Christoph-Sebastian. Gab es diesbezüglich reale Vorlagen in Ihrem Leben?

N.H.: Christoph-Sebastian hat gleich zwei reale Entsprechungen, die meinen Mann und mich samt ihrer überforderten Eltern vor Jahren einmal ein ganzes Wochenende lang heimgesucht haben. Dass mit den bloßen Händen in die Nudelschüssel gegriffen wurde, war noch das kleinste Malheur. Wir waren so leichtsinnig, mit ihnen essen zu gehen. Das Restaurant habe ich danach nie wieder betreten. Wie Hedi im Roman haben mein Mann und ich versucht, den Blagen wenigstens innerhalb unseres Hauses Grenzen zu setzen. Das Problem waren allerdings, das muss man ehrlich sagen, weniger die Kinder, sondern die Unfähigkeit und Gleichgültigkeit ihrer Eltern.
Einige der im Roman erzählten Anekdoten stammen aus meiner eigenen Kindheit, zum Beispiel der angriffslustige Hofhahn, der als Mittagessen endete, die Maus samt der Katze im Federbett oder der „Elfmeter“, bei dem der Schuh in die Dachrinne flog. Der Schütze war mein Vater, und mein Bruder und ich haben uns gekringelt vor Lachen. Zum Glück war das Dach unseres Hauses solider als das der Eichmühle, und wir mussten nur den Schuh wieder herunterholen. Für mich als Schriftstellerin sind solche Erlebnisse natürlich eine sprichwörtliche Steilvorlage ...

Thoni: Ebenso wie die Erfahrungen einer Polizistin?

N.H.: Allerdings. Irgendwann, sagte ich, schreibe ich ein Buch über all das. Bestimmt schmeißen sie mich dann raus. Das habe ich am 1. Januar 1988 in meinem Tagebuch notiert und in meinem Buch Die Startbahn veröffentlicht. Damals dachte ich, dass (m)eine Geschichte über die Polizei diese so prägende Erfahrung der „Startbahnmorde“ beinhalten müsse, die ich 1987 unmittelbar miterlebte. Ich entschloss mich dann aber, dafür die Form einer Erzählung zu wählen und den Roman vorwiegend heiter zu verfassen.
Viele Jahre lang stand auf meinem Schreibtisch ein Kästchen, in dem ich allerlei Kuriositäten sammelte, die mir im polizeilichen Alltag in die Finger kamen: Anhörbögen, Strafanzeigen, schriftliche Mitteilungen der Leute an Versicherungen, krude Formulierungen aus Vermerken und Berichten, Gerichtsurteile. Aber auch Merk-Würdiges aus der Tagespresse, wie zum Beispiel der Artikel über den zu intelligenten Polizeibewerber, fand den Weg in meine „Zettelbox“. Nachdem ich alles rausgestrichen hatte, was irgendwelche Rückschlüsse auf Sache oder Personen zugelassen hätte, habe ich das Kästchen meinen Protagonisten übereignet; vor allem Klaus’ Chef Michael Stamm zitiert im Roman mit Vergnügen daraus. Den glücklichen Türöffnungswinkel aus Kapitel 13, der den armen Klaus beinahe zur Verzweiflung treibt, habe ich 1992 in voller Länge unter „Kurioses“ in der Hessischen Polizeirundschau veröffentlicht.
Gespenster mittels Funkgerät zu vertreiben, sich mit zeternden oder sonstwie seltsamen Bürgern auseinanderzusetzen, wie es Klaus und Dagmar im Roman tun, all das gehörte tatsächlich zu den Aufgaben, die ich als junge Streifenpolizistin zu erledigen hatte. Die Lichtbildvorlage mit dem türkischen Mitbürger, der lauthals über die Kanaken in Deutschland schimpft, habe ich während meiner Zeit im Einbruchskommissariat durchgeführt, und Ayse Söngül, die in Wirklichkeit natürlich anders hieß, hat mir ihre traurige Geschichte, wie im Roman Klaus und Dagmar, bei einer Ermittlung erzählt. Meinem Zettelkasten und damit dem realen Leben entnommen ist auch die Strafanzeige jenes Zeitgenossen, den ich im Roman Dr. Türmann getauft habe, wegen der vorgeblich falsch frankierten Büchersendung. Die Akte kam als Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft ins Betrugskommissariat, wo ich damals arbeitete. Ich habe deswegen mit meinem Chef einen Streit vom Zaun gebrochen, weil ich mich veräppelt fühlte. In diese Zeit fiel auch die Gerichtsverhandlung, die Dagmar im Roman als Einakter aufführt. Was meine Zeit im Streifenwagen anging, so war sie zwar, auf meine gesamte Polizeilaufbahn gerechnet, nicht sehr lang, zuweilen aber überaus lustig.

Thoni: Manchmal bleibt einem das Lachen aber auch im Hals stecken. Die Szene, in der Klaus und seine Kollegin die Todesnachricht überbringen, geht unter die Haut.

N.H.: Auch das ist ein Teil des polizeilichen Alltags. Wie im Roman beschrieben, gibt es kein Richtig oder Falsch, und schon gar keine Patentlösung, wenn man, auf welchen Wegen auch immer, mit dem Tod konfrontiert wird. Erfahrung und Routine können helfen, aber alle Gefühle vermögen sie nicht einzufangen. Auch der dienstlich erfahrene Polizist Klaus streift ein solches Erlebnis nicht einfach mit den Kleidern ab. Vor allem, wenn er noch dazu private Probleme hat.

 
Fortsetzung  folgt ... siehe nächsten Beitrag in diesem Blog! (Leiste links!)
  

Kindle: Das Experiment!

Erst einmal ein herzliches Hallo fürs neue Jahr!

Ich hoffe, Ihr hattet alle einen guten Start und müsst nicht gleich wieder Vollgas geben ;) Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit dem Vollgas gar nicht aufgehört, wobei die Feiertage wunderbar geruhsam waren. Natürlich, so kann man fast sagen, habe ich es nicht geschafft, meinen selbst gesetzten Termin zu halten, Die Wassermühle noch vor Weihnachten zu veröffentlichen. Und das hatte etwas damit zu tun, dass ich nicht nur ziemlich akribisch in der Überarbeitung war (ich sitze ja schon seit dem Sommer dran ...), sondern dass ich plötzlich eine riesige Lust bekam, die Möglichkeiten eines eBooks "auszureizen". Das, was ich mit meinem Roman gemacht habe, hätte mir ein Verlag nie und niemals durchgehen lassen, und im Print wäre es auch gar nicht möglich gewesen.
 
Ich habe ja ein paar spinnerte Träume, und einer davon ist, Geschichten mit Geschichte zu verbinden und gleichwohl oder gerade deshalb die Leser dafür zu begeistern. Um`s kurz zu machen: Ich bin abgetaucht in die Tiefen der Recherchelabyrinthe aus Print und Netz, und das hat nicht nur jede Menge Arbeit gekostet, sondern vor allem Spaß gemacht.
 
Aber bei alledem kann ich ein Versprechen geben: Ich habe eine Bonbonniere gefüllt, in die nur zu greifen braucht, wer Geschmack am Inhalt findet. Die Geschichte davor können (und sollen) die Leser "pur" genießen.
 
"Die Wassermühle" ist mein viertes eBook, und mein Fazit lautet: Ich habe Feuer gefangen!
 
Mit den allerbesten Grüßen
und bis gleich*
 
Nikola
 
______
* Es folgt heute & morgen & übermorgen: ein Interview in drei Teilen: Ja, wenn die Autoren ins Reden kommen ...
 
 

Samstag, 1. Dezember 2012

Ressentiments ...

Wie ich ja schon schrieb, sitze ich derzeit an der Überarbeitung meines Romans "Die Wassermühle", der (hoffentlich) noch im Dezember in einer aktualisierten Fassung herauskommen soll. Bei einer Recherche im Netz fiel mir auf, dass der Erfolgsroman von Martina Gercke "Holunderküsschen" nirgends mehr erhältlich ist, nicht mal bei amazon im Kindle Shop. Das machte neugierig, und ich stieß auf die wohl schon seit einer Weile geführte Plagiatsdebatte. Entsprechende Textstellen sind ja im Netz eingestellt, und die klingen doch recht eindeutig. Ich vermag darüber letztlich kein Urteil zu fällen, und ich will es auch nicht. Was mich jedoch ziemlich erstaunt, ist die "Empörung der Gerechten", die nun den "Fall Gercke" nutzen, um ihre Vorurteile gegen (alle) Selfpublisher zu befeuern. Interessant zu lesen und sehr entlarvend. Statt am Manuskript weiterzuarbeiten, habe ich einen Kommentar zu einem Artikel im Literaturcafé geschrieben, den ich (in Auszügen) hier einstelle, weil er mein Selbstverständnis als Autorin & Verlegerin wiedergibt . (Ihr merkt schon: Seit gestern bin ich auf dem Netz-Schreib-Trip :) )
 
(...) Wenn jemand so offenkundig selbst Satzformulierungen übernimmt, dann kann das kein Zufall sein. Andererseits ist hier jemand auf einem unkonventionellen Weg zum Erfolg gekommen, das ruft natürlich auch Neider auf den Plan. Nein, ich lese "solche" Bücher grundsätzlich auch nicht (manchmal mache ich aus Neugier eine Ausnahme :)), aber es gibt viele Menschen, die solche Geschichten mögen, und sie haben jedes Recht dazu.

Was nur zu gern unterschlagen wird: Nicht nur Selfpublisher veröffentlichen so was, sondern auch jede Menge Verlage, und über die inhaltliche wie sprachliche Qualität lässt sich hier wie dort trefflich streiten. Jetzt aber so zu tun, als würde die Veröffentlichung über einen Verlag per se für sprachliche Qualität und "Originalität" bürgen, finde ich einfach nur daneben. Das Beispiel Hegemann wurde ja bereits andernorts genannt, und es war mitnichten so, dass dieses Buch dann - wie es jetzt bei amazon und mvg mit den Werken von Frau Gercke geschah - sofort vom Markt genommen wurde.
Nein, zur Moraldebatte taugt das Beispiel Gercke nicht! Und auch nicht, um Ressentiments gegen eine Entwicklung zu schüren, die viele in der Branche (aus welchen Gründen auch immer) nicht mögen.

Und was Interviews mit Autoren angeht, deren Bücher man überhaupt nicht gelesen hat - aber Hallo! Über einen meiner Romane hat man sogar einen Kurzfilm gedreht, ohne dass der Verantwortliche das Buch vorher auch nur ansatzweise gelesen hätte. Gefallen hat mir das nicht, denn irgendwo ist man ja auch Leser, der vernünftig informiert werden will. Über die Werbung war ich trotzdem froh, und die Pressestelle im Verlag natürlich auch.

Allerdings ging es in Wolfgang Tischers Interview (anders als damals bei mir) nicht um den Inhalt des Buches und damit eine Leseempfehlung, sondern um den ungewöhnlichen Werdegang und Erfolg einer Autorin. Ich habe das Interview mit Frau Gercke (...) im Literaturcafé mit großem Interesse gelesen und trotzdem nicht den Gedanken gehabt, dass ich dieses Buch jetzt unbedingt kaufen müsste.

Fazit: Wie immer und überall kommt es auf die Intention an. Und die sollte man - gerade bei den ganz besonders Empörten - doch ab und an mal kritisch hinterfragen.

Hier geht`s ...
 
- zu den genannten "Textstellen"  (aus: Buchmarkt, "Affären", 30.11. 2012)
- zum Interview mit Herrn Dresen (Justiziar bei Random House, Buchmarkt, 30.11.2012)
- zu einem sehr ausgewogenen und fairen Statement (ebooks-Autoren.de, 20.11.2012)

Freitag, 30. November 2012

Wer-kennt-wen für Bücher


Die Diskussionen über den Zukunftsweg (oder die Zukunftswege) in der "Bücherlandschaft" sind vielfältig und konträr. Ich verfolge das interessiert und gebe hier und da mal meinen Senf dazu. So entstand der folgende Beitrag als Leserbrief ... Aber er passt auch hier, glaube ich :)
 
Die Umbrüche in der Buch- und Verlagsbranche sind inzwischen für jeden sichtbar. Wir sind auf einem Weg, dessen Ende wir nicht kennen, und sicherlich wird nicht alles gut werden, was gut scheint.

Das größte Problem ist in der Tat, dass “Selfpublishing”, so wie es derzeit definiert und möglich ist, dazu führt, dass jeder ohne Probleme alles ins Netz jagen und als “Buch” definieren kann. Leider habe ich keine Lösung anzubieten, aber vielleicht sollte man – jenseits dieses “Dilemmas” – auch die Ursachen bedenken, die mit dazu beigetragen haben (und sicher auch in Zukunft dazu beitragen werden), dass Autoren den direkten Weg der Publikation suchen.

Verlage, vor allem die großen, haben Schubladen (und müssen sie vielleicht auch haben, darüber möchte ich nicht urteilen), die sie bedienen möchten. Autoren wollen Geschichten erzählen, die vielleicht in diese Schubladen nicht hineinpassen. Für manche Dinge kann man einen Kompromiss finden, für andere nicht. Und einige Dinge tangieren so sehr das Eigentliche des Erzählens, dass es eben keine Übereinstimmung gibt.

Ich rede hier, bitteschön, nicht von experimenteller Literatur, die ein Nischenpublikum bedient, sondern durchaus von “gehobener” Unterhaltung, die vielleicht “nur” nicht ganz in der Schiene läuft, wie man es verlagsseits gern hätte. Man kann dann einen Kompromiss schließen (manche Autoren leben damit wunderbar, und es ist auch nichts dagegen zu sagen), oder man entscheidet sich, künftig einen eigenen Weg zu gehen. So habe ich es gemacht.

Finanzielle Überlegungen waren nicht die primäre Grundlage für diese Entscheidung. Ich hatte einen sehr lukrativen Verlagsvertrag, um den mich sicherlich so mancher andere Autor beneidet hätte. Die Auflagen waren gut, man wollte mehr … Nur hat das alles nicht zu dem gepasst, was ich unter Schreiben verstehe.

Nein, ich wollte NICHT, dass der Verlag mir den Titel vorschreibt. Und ich wollte NICHT, dass ein Mensch, der das Buch überhaupt nicht kennt, über das Cover entscheidet, und es kurzerhand dann während der Lebensdauer des Buches ein gutes Dutzend mal wechselt, weil man meinte, irgendwelche Sonder-Sonderausgaben herausbringen zu müssen.

Also: Selfpublishing. Ich habe das schon zu meinen “Verlagszeiten” gemacht und nebenher via BoD veröffentlicht, aber ehrlicherweise muss ich sagen, dass BoD für mich inzwischen auch nicht mehr das Gelbe vom Ei ist, vor allem was die Umsetzung eines professionellen Layouts angeht. Auch wollte ich das nicht mehr als “Autor” machen, sondern via Verlag. Also habe ich einen eigenen Verlag gegründet. Ich mache keinen Hehl daraus, dass das ein Selbstverlag ist, und natürlich muss man genau schauen, WAS man selbst leisten kann und wo man sich professionelle Hilfe holt. Nichts anderes tue ich auch. Aber zu sagen, jemand, der schreibt, könnte per se nicht lektorieren oder layouten oder ein Cover gestalten, das finde ich schon … seltsam.
Vor allem vor dem Hintergrund meiner Verlagserfahrung. Ich hatte für drei Romane ein gutes Dutzend Lektoren, die wechselten schneller, als ich schreiben konnte, und es war wirlich alles dabei, von der gestressten und wenig fachlich überzeugenden Außenlektorin bis hin zu einer wunderbaren Lektorin, von der ich so viel gelernt habe, dass ich davon heute noch profitiere. Leider war es aber auch so, dass ich schon im Verlag bei einem Roman das Lektorat praktisch selbst gemacht habe, weil die entsprechende Außenlektorin leider, wie gesagt, nur sehr bescheidene Kenntnisse hatte. Das war eine der schlimmsten Erfahrungen überhaupt, vor allem, weil ich vorher so gute Erfahrungen gemacht hatte. Auch was das Layout angeht, bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Verlage nicht einmal einfachste Gestaltungsregeln berücksichtigen, zum Beispiel die bekannten “Schusterjungs” ignorieren.

Ich plädiere dafür, das Ergebnis zu bewerten, nicht den Weg dorthin. Und damit sind wir beim größten Problem überhaupt: Wie so oft in diesen Diskussionen kommt die Gruppe, um die es eigentlich geht, so gut wie nicht vor: DER LESER.

In der Verlagsbranche dreht sich gern alles um sich selbst, der Leser wird selten als Mittelpunkt gesehen, und ich glaube, dass genau das der Punkt ist, warum amazon so viel Erfolg hat und andernorts sich die Probleme häufen. Wie können Geschichten und Leser zueinander finden? Und vor allem: Wo?

Ich würde mich freuen, wenn sich die Buchbranche (auch als Gegengewicht zu amazon) endlich darauf besinnen würde, Möglichkeiten zu schaffen, das Leserinteresse in den Mittelpunkt zu stellen. Leser suchen gute Geschichten, und den meisten ist es herzlich egal, ob diese in einem großen, einem kleinen oder ohne Verlag publiziert werden. Das Thema muss passen, und die Qualität sollte stimmen, wobei das auch wieder relativ zu sehen ist, denn Mainstream hat ja auch eine bestimmte Qualität, wenn man deren Lesepublikum befragt. Es müsste also eine Plattform sein, die zum einen sicherstellt, dass formelle Mindeststandards eingehalten werden, zum anderen aber auch die Möglichkeit gibt, dass Leser “ihre” Bücher finden. Wenn man dabei einen Kontrapunkt zu amazon setzen will, ist es nicht mit “Rechnen” getan, sondern es wird erfordern, dass sich reale Menschen zu Buchempfehlern machen, und zwar zu objektiven. Also das tun, was die viele engagierte Blogger tun und was gute Buchhändler tun: Ihre Kunden kennenlernen und ihnen passende Lektüreempfehlungen geben. Das heißt aber, dass die "Empfehlenden" unvoreingenommen sein müssen und offen für alle Wege.

Ein Wer-kennt-Wen für Bücher … Ein Portal, in dem LESER und GESCHICHTEN(schreiber) zueinanderfinden … Mein Zukunftstraum!

Herzliche Grüße
Nikola

PS:
Kleine "Wkws" gibt es ja schon jetzt ... Rastplätze für Bücher(Leute) & Leser:

Das Literaturcafè - Der Treffpunkt für Leseinteressierte im Netz!
Buchtipps + Filmtipps von Dieter Wunderlich
NEU: Arvelle - Online-Literaturmagazin - Außergewöhnliche Tipps, schön verpackt :)
SteglitzMind - Eine lesenswerte literatrische Begegnungstätte 
Was mit Büchern - Die bunte Welt der Bücher - ein engagiertes Projekt von Leander Wattig
eBookLeben - Für eBook-Liebhaber & Neugierige


 

Freitag, 2. November 2012

Die Startbahnmorde. Ein Gedenken.

Selten sind Gegebenheiten, die unmittelbar in die Vergangenheit führen, weil die Vergangenheit in Bildern, Worten und Begegnungen wiederaufersteht. Heute war so ein Tag: Unzählige Polizeibeamte trafen sich in der III. Bereitschaftspolizeiabteilung in Mühlheim, um in einem Gottesdienst der beiden Kollegen zu gedenken, die vor 25 Jahren an der Startbahn West am Frankfurter Flughafen erschossen wurden. Junge Beamte waren dort, die in der Ausbildung stehen und damals nicht einmal geboren waren, alte waren da, die längst pensioniert sind, und wir, die heute "Mittelalten", die damals jung waren, eingesetzt teilweise schon seit Jahren an dieser Startbahn, und die doch jenen einen Tag nicht vergessen können. "Der zweite November 1987 hat eine ganze Generation von Polizeibeamten geprägt", wurde gesagt, und so ist es. Wir erinnerten uns, wo wir waren, und wie es war. 
 
An den Gottesdienst schloss sich eine Kranzniederlegung am Ehrenmal an, danach eröffnete der Landespolizeipräsident eine kleine Ausstellung zum Thema. Zeit für Gespräche und Begegnungen. Es war ein würdevoller und angemessener Rahmen für dieses bis heute unfassbare Ereignis.
 
 

Nachtrag vom 11.11.2012
Link zur Sendung HR-Info/Kulturlust, in der ich ein Interview zum Thema gegeben habe. (Die "Startbahnmorde" werden v.a. am Anfang der Sendung und am Ende thematisiert, ab ca. Sendeminute 19):

http://www.hr-online.de/website/radio/hr-info/index.jsp?rubrik=60761&key=standard_podcasting_hr-info_kulturlust&mediakey=podcast/hr-info_kulturlust/hr-info_kulturlust_20121105&type=a
 

Die Startbahn. Eine Erzählung - Eine Erinnerung

Montag, 22. Oktober 2012

Die Startbahnmorde. Eine Erinnerung.


In meinen vorangegangenen Posts habe ich erwähnt, dass ich während der vergangenen Wochen "Korrektur gelesen habe". Heute ist das Buch erschienen, das zugleich mein persönlichstes geworden ist - und ein wesentlicher Grund dafür war, warum ich den Thoni Verlag gegründet habe: Ich wollte dieses Buch so schreiben und vor allem so gestalten, wie ich es der Sache für angemessen halte.  
 
Nach meiner Ausbildung zur Polizeibeamtin wurde ich im Herbst 1986 in die III. Bereitschaftspolizeiabteilung nach Mühlheim am Main versetzt. Vor allem Einsätze rund um den Frankfurter Flughafen gehörten damals zu meinem Berufsalltag, auch am 2. November 1987, als an der Startbahn West zwei meiner Kollegen erschossen und weitere durch Schüsse zum Teil schwer verletzt wurden. Die meisten kannte ich persönlich, hatte mit ihnen viele gemeinsame Einsätze gefahren.
 
 
Im Sommer 2006 fragte mich eine Lehrerin, ob ich für ein Medienprojekt des Hessischen Rundfunks, „Mein Jahrzehnt – Schüler führen selbst Regie“, als Interviewpartner zur Verfügung stünde. Die Schüler einer Video-AG drehten einen Film über die 1980er Jahre, und sie wollten mich zu den Demonstrationen an der Startbahn West am Frankfurter Flughafen befragen. Ich sagte gerne Ja, aber es war ein seltsames Gefühl, plötzlich zur Zeitzeugin zu werden. 

Ich war mir sicher, dass ich so gut wie nichts von jenen Ereignissen im Herbst 1987 vergessen hatte, aber meine Erinnerung trog. Als ich meine alten Tagebücher las, die ich seit so vielen Jahren nicht mehr angerührt hatte, war es wie eine Offenbarung: Ich reiste in ein Land, von dem ich zu lange fort war, um mich daheim zu fühlen, und in dem ich zu lange und zu intensiv gelebt hatte, um Distanz haben zu können. Die junge Polizistin, die in jenem Sommer beruflich und privat nach ihrem Weg suchte, war mir fremd geworden. Und doch so nah.

Meine Aufzeichnungen über die Ereignisse unmittelbar vor und nach den tödlichen Schüssen an der Startbahn habe ich auszugsweise für das erwähnte Schülerprojekt zur Verfügung gestellt. Aber das war nur ein Teil der Geschichte. Die Erinnerung verdrängt nur zu gern die leisen zwischen den lauten Tönen, Skurriles, Lächerliches, berührende und peinliche Momente, die doch dazugehören. Jene Tage waren mehr als nur eine dienstliche Zäsur. 

Die "Startbahnmorde" gingen in die Geschichte ein, denn zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik wurden Polizeibeamte bei einer Demonstration erschossen. 25 Jahre sind seitdem vergangen. Zeit, zurückzuschauen: "Die Startbahn" ist auch meine Geschichte - und die Erinnerung an eine Zeit, die alle, die dabei waren, fürs Leben geprägt hat.
 
Fotos und eine Lesesprobe sind auf der Seite des Thoni Verlags eingestellt. Dort könnt Ihr Eure Leseeindrücke auch kommentieren. Ich bin gespannt.
 
http://www.thoni-verlag.eu/belletristik-poesie/

Direktlink zu amazon:

Samstag, 13. Oktober 2012

Messesplitter

Weil ich wusste, dass ich mit meinem Thoni-Verlag noch eine ganze Menge Arbeit haben würde und auch an der Akademie derzeit eigentlich keine Luft für einen freien Tag ist, hatte ich die Buchmesse dieses Jahr nicht auf dem Plan - bis ich zu der Podiumsdiskussion zum Thema Self-Publishing beim Forum Zukunft/Börsenverein eingeladen wurde. Das war einfach ZU interessant. Dass das Thema inzwischen nicht mehr verschämt, sondern ganz öffentlich diskutiert wird, freut mich - und dass es viele gibt, die es interessiert, natürlich auch: Die Zuschauerplätze waren allesamt besetzt, und einige mussten sogar stehen. Moderiert hat die Runde Karin Hartmeyer vom Forum Zukunft; jeder der Diskutanten sollte anfangs ein Statement abgeben - meines schloss nach einer gerafften Zusammenfassung meiner "bunten" Autorenbiografie mit dem Satz: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Hat mich gefreut, dass das dann im Laufe der Diskussion mehrfach aufgegriffen wurde. Ganz besonders gefreut hat es mich auch, dass ich endlich Wolfgang Tischer vom Literaturcafé persönlich kennenlernen durfte - im Netz begegneten wir uns schon des Öfteren. Wer das Literaturcafé noch nicht kennt: unbedingt mal vorbeisurfen, eine tolle Seite!!
 
Überhaupt: Die persönlichen Begegnungen mit "Büchermenschen" gehören zu den schönsten Erlebnissen auf der Messe ... Im Anschluss an die Diskussion sprach ich mit zwei anderen Autoren, die - wie ich - gerade ihren eigenen Verlag gegründet haben, mit unterschiedlichen Intentionen und Konzepten, aber mit dem gleichen Optimismus wie ich: Schauen wir mal, wohin die vielen Wege führen.

Ich hatte ja noch nie Probleme, offen zu meinen "Selbstverlegten" zu stehen, aber langsam macht es richtiggehend Spaß! Ich glaube nur, und da komme ich auf mein Statement zurück, dass man - immer noch - viel Durchhaltevermögen, Geduld und Schmerzresistenz (*g*) braucht: Das wird nicht sofort funktionieren, und all den schönen Erfolgsstories der angeblich heute-noch-Aschenputtel-morgen-schon-Buchmillionär-Selfpublisher sollte man mit einem Augenzwinkern begegnen: Es spielen auch jede Woche Millionen Leute Lotto ... ;)
 
Sehr inspirierend war auch das Gespräch mit der Bloggerin Sibylle Basten, die spontan ein Interview mit mir führte - da habe ich natürlich gern mitgemacht! Und danach noch ein wunderbares Gespräch mit Nele Neuhaus: Ich habe mich sehr gefreut, dass sie trotz des Stresses (am 11.10. war Erstverkaufstag ihres neuen Romans) überhaupt Zeit dafür fand! Das Leben zieht manchmal seltsame (und schöne) Bahnen: Wir begegneten uns erstmals vor Jahren sozusagen vor der Drehtür zu Ullstein: Ich bin raus-, und sie ist reingegangen, und es freut mich zu erleben, was für einen Wahnsinnserfolg sie "drinnen" hat. Also auch noch mal von hier: Liebe Nele: ein dicker und herzlicher Glückwunsch zum "Bösen Wolf" - das ist ein wirklich schönes Buch geworden!
 
Tja, und dann ... wollte ich eigentlich, wie ich es immer tue, wenn ich auf der Messe bin, gemütlich durch meine Lieblingshalle 3 schlendern, Verlage & Bücher angucken. Aber was soll ich sagen? Ich landete wieder in Halle 4.0 ... Verlagsdienstleistungen. Auch in der Kalenderausstellung habe ich mich neugierig umgeschaut - ich merke langsam, dass mein Fokus doch mehr in Richtung des Verlegens geht. Ich bin gespannt, wann, wie und wo ich den Weg zum Print (zurück-)finde ... Einiges an Infomaterial habe ich schon mitgenommen. Aber jetzt geht es erst mal in die Endphase der "Startbahn" ...
 
Bis bald in der "Stube"
Nikola
 
Und hier passenden Links zum Text:
 
www.thoni-verlag.com