Montag, 28. Oktober 2013

Bücher stehlen? Aber ja doch! Alles nicht so schlimm ...

Es gibt Themen, die treiben einen um ... Zum Verständnis: SB = Spiegelbest, ein sog. "Buchpirat", der auf der Internetseite Qindie (einer Autoreninitiative für unabhängiges Publizieren(!), der ich auch angehöre, was es nicht besser macht), eine kostenlose Werbeplattform erhielt.

„Denke … selbst (wenn möglich).“ Mit dieser schönen Einleitung beginnt auf der Plattform Qindie ein Kommentar zum Thema „Buchpiraterie“. Ich konnte mich einer Erwiderung nicht enthalten und frage: Ist das wirklich zu Ende gedacht? Im Falle von SB geht es nicht um Meinung haben oder nicht haben oder um Gestrige, die nicht offen wären für Neues. Es geht schlichtweg darum, dass hier jemandem, der sich offen zu kriminellem Tun bekennt (oder, wie bitte, soll man den Euphemismus „Bücher befreien“ mit ein bisschen Nachdenken anders subsumieren?), eine Werbeplattform geboten wird, um sich und sein Tun in geschmeidigen Worten zu bewerben.
Was das Neue angeht, das wir denken müssen: Das ist alles richtig! Alte Zöpfe abzuschneiden tut weh, es wird Verlierer, es wird Gewinner geben, Manches wird untergehen, Neues wird entstehen. Wahrscheinlich begreifen wir den gegenwärtigen Umbruch der Welt ebensowenig wie die Menschen den Umbruch der Welt durch die Erfindung des Automobils begriffen haben: „Diese Maschine wird das Pferd nie ersetzen können“, das meinte man damals mit dem gleichen Ernst wie auch heute über alte Zöpfe debattiert wird. Also: Alles richtig, was die Modell-Diskussion angeht, das Wege-Suchen, das Kritisch-Beleuchten.
Aber was hier und auch in anderen Debatten gemacht wird, ist viel mehr als das: Man hat Verständnis für den Automobilisten, der ob der Begeisterung für sein Gefährt Hühner, Kinder und alte Leute überfährt und das damit rechtfertigt, dass sie eben zu langsam die Straße überquert haben. Wir reden mit dem professionellen Ladendieb, der nach Abschaffung der Tante-Emma-Läden und Einführung großer Warenhäuser mit dem Argument kommt: „Wer einen solchen Konsumtempel betreibt und die Waren so verführerisch frei hinlegt, ist doch selbst schuld, wenn ich sie mir nehme.“ Es ließe sich fortführen: „Wie bitte? Du willst nicht, dass jemand deine Kreditkarte missbraucht? Dann bezahle gefälligst weiterhin mit Bargeld!“ Wer will, kann sich weitere Beispiele überlegen.
Neues wird immer dazu führen, dass es Menschen gibt, die daraus auf Kosten von anderen ihren Vorteil ziehen, im schlimmsten Falle werden neue Formen der Kriminalität entstehen. Das ist im und mit dem Internet nicht anders. Es geht also nicht um neue Wege, es geht darum, wo wir die Grenzen setzen wollen. Welche Werte wir leben und vermitteln wollen. Ob wir Kriminelle salonfähig machen wollen. Leute, von denen wir nicht mal wissen, wer sie sind! Leute wie SB, bei denen selbst die Maske, hinter der sie sich verstecken, gestohlen ist.
Es geht nicht darum zu reden, kontrovers zu diskutieren, Probleme zu thematisieren. Es geht darum, beliebig zu werden, für nichts mehr zu stehen, keine Grenzen mehr zu kennen und für keine mehr zu kämpfen. Ist doch alles nicht so schlimm. Ich hab doch Verständnis, für alles und jeden. Schöne neue Welt.

Links:

Qindie - das Autorenkorrektiv
Original-Kommentar von Stefan Holzhauer und meine Originalreplik 

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