Sonntag, 19. Februar 2012

Schmutztitel und Hurenkinder

Zugegeben: Ich bin eine Nachteule ... wenn andere müde werden, werfe ich gern noch mal den PC an *g*. Gestern habe ich allerdings den ganzen Tag vor der Kiste verbracht und die halbe Nacht noch dazu. Nach der Installation der sehnsüchtig erwarteten CS 5.5 (die Creative Suite von Adobe) musste ich erst mal meine Voreinstellungen "suchen" - die waren nämlich futsch. Natürlich nicht wirklich, und letztlich war es nur eine Frage von Nachdenken und dem Finden des richtigen Ordners. Also: Das erste meiner e-Book-Projekte ist gekämmt und gebürstet, sozusagen ausgehfertig für den Export in die schöne neue e-Welt. Diese Welt folgt anderen Gesetzen als das gute alte Buch, und von so manchem liebgewordenen "Schmankerl" muss man sich dann doch verabschieden.

Dass man einen neuen Weg geht, heißt ja nicht, dass die alten Pfade nun ihren Reiz verloren hätten. Im Gegenteil. Während ich brav nach Anleitung (im Netz findet man wirklich fast alles) daran ging, mein mit viel Enthusiasmus, Geist-Schweiß und Akribie für den Print layoutetes Manuskript in einfach formatierte Häppchen (zurück-)zuzerlegen, wurde mir einmal mehr klar, welchen Wert Bücher über den Inhalt hinaus haben: Ein schön gestaltetes Buch hat mir schon immer Freude gemacht, aber jetzt weiß ich, dass das auch in Zukunft so sein wird, dass ich das sogar noch viel mehr schätzen werde als bisher. Durch die Flut von (teilweise grauenhaft hingeschusterten) Taschenbüchern, die nach dem zweiten Mal lesen auseinanderfallen, Knicke bekommen oder so klein gesetzt sind, dass es eine Qual für die Augen ist, ist aus dem Fokus geraten, welche Freude es sein kann, ein Buch aufzuschlagen.

Printbücher, und da unterscheiden sich Taschenbücher und Hardcover nicht, beginnen mit der sogenannten Titelei, das heißt, einem "normierten" Aufbau der ersten Seiten. Die allererste Seite in einem Buch ist der sogenannte Schmutztitel. Wenn Ihr mal in Eure Bücher reinschaut, werdet Ihr feststellen, dass alle mit einer fast leeren Seite beginnen, auf der lediglich der Titel (oder ein Teil davon) und/oder ein Verlagssignet stehen. Sonst nichts. Dann folgt eine weitere Seite mit dem eigentlichen Titelblatt, auf der Rückseite das Impressum, eine neue Seite mit Widmung oder Motto oder Inhaltsverzeichnis/Vorwort, und erst danach geht es mit dem eigentlichen Inhalt los. In neueren (insbesondere Taschen-)Büchern finden sich innerhalb der Titelei (meist auf der ansonsten leeren Rückseite des Schmutztitels) auch Infos zum Buch und Autor.

Der Schmutztitel hat seinen Namen nach seiner Funktion bekommen: Er diente tatsächlich früher dazu, den Buchblock vor Verschmutzungen zu schützen, denn Bücher wurden ohne "Verpackung" ausgeliefert. Die Bindung des Buches erfolgte in der Regel nach indiviuellen Wünschen des Buchkäufers. Daran sieht man, welchen Wert (im wahrsten Sinne des Wortes) Bücher früher hatten. Wer sich mit alten Büchern beschäftigt, weiß auch, dass in alten Zeiten selbst der Buchblock nicht so "fertig" geliefert wurde wie heute: Ich selbst habe mal ein antiquarisches Buch übers Internet bestellt und war im ersten Moment sauer, als ich es aufschlagen wollte: Die Seiten waren nicht aufgeschnitten. Ich musste mir dieses Buch also erst "zuschneiden". Das heißt: Dieses alte Werk hatte vor mir noch nie jemand gelesen.

Der Blick in die Vergangenheit lohnt immer, wenn man Dinge in der Gegenwart gewichten will. Es kam die Zeit, in der es möglich wurde, Bücher für "die Masse" zu drucken, es kam der Erste Weltkrieg mit der Folge, dass Papier rar und teuer wurde, und all das führte dazu, dass die Bücher weniger "wertvoll" wurden ... Die pappgebundenen Exemplare aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts (ich habe einige davon in meinem Regal) sind nicht mehr wirklich stabil, und das eine oder andere ist mir auch schon zwischen den Fingern zerbröselt. Nichtsdestotrotz haben selbst diese "Billigausgaben" fast hundert Jahre überstanden, und das spricht doch fürs Papier *g*.

Unabhängig von der Lebensdauer gibt es aber eben auch das besondere "Gesicht", das Bücher haben, und das kann durchaus auch unabhängig vom Einband sein. Ein schön layoutetes Buch in die Hand zu nehmen, bringt nicht nur Lesefreude, es ist ein Augenschmaus. Wenn man sich ein bisschen mit dieser Welt des Setzens und Layoutens beschäftigt, dann fallen einem naürlich Dinge auf, die anderen verborgen bleiben. Und als ich meine schöne Printversion in die Warteschleife fürs e-Book transferiert hatte und das Ganze auf dem Bildschirm noch mal probelas, bekam ich das Schütteln: Lauter Hurenkinder!

Ich weiß es ja: Im e-Book sind die nicht mehr zu sehen, weil die Seite kein wirkliches Ende hat und der Text je nach Lesegerät und Schrifteinstellung unterschiedlich umgebrochen wird. Aber innerhalb des jetzt noch bestehenden Seitenlayouts sieht es grausig aus! Was heißt: Ich sollte mich beeilen, diesen Zustand zu beenden und das Ding schnellstens in e-Pub befördern.
Allerdings muss ich mich vorher noch mal mit der Gedankenarbeit des Kriminalisten beschäftigen, die mich allerdings ebenfalls in die Zeit der Schmutztitel, nämlich zu Sherlock Holmes, führt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag!
Nikola

PS: "Hurenkind" nennt der Setzer den letzten Satz eines Absatzes, der getrennt vom Rest, sozusagen "einsam oben auf der Straße" (als erste (Halb-)Zeile auf der Buchseite) steht. Das sieht sehr unschön aus und wird sogar von WORD korrigiert :)))).

PS2: Der vom Rest getrennte erste Satz eines Absatzes auf der Buchseite unten heißt übrigens "Schusterjunge", angeblich, weil er - im Gegensatz zum Hurenkind - "unten im Keller steht". Schusterjungs werden gern mal übersehen, auch von Verlagen. Achtet mal drauf! (Übrigens nicht nur in meinem bei Books on Demand erschienenen "Baumgesicht", sondern auch in meinen "Verlagsromanen", z. B. "Die Detektivin", sind sie zu finden.)

PS3: Ich habe entschieden, dass es in der Welt der e-Books keinen Schmutztitel mehr braucht und daher (wie es andere auch machen), die Titelei auf eine Seite gesetzt.

Und zum Schluss ein Link zu einem wirklich toll layouteten Buch, das auch vom Inhalt her überzeugt: Ein wahrer Lesegenuss!


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