Donnerstag, 23. Februar 2012

Goethe und die Götter. Warum Buchtitel so wichtig sind

Jetzt habe ich schon so viel über das Abenteuer mit der Technik geschrieben, aber noch so gut wie nichts über das, was ich denn da aufbereite. Klar: Für mich steht ja alles längst fest, der Roman ist mehrfach überarbeitet, von verschiedenen Leuten testgelesen, gedreht, gewendet. Ich bin da penibel. Und wenn ich mir schon so viel Mühe gebe mit der Geschichte, soll auch die Tür eine passende sein. Im vergangenen Herbst habe ich Titelschutz beantragt. Der läuft ein halbes Jahr, und so könnt Ihr Euch denken, dass es nicht mehr allzulange dauern wird, bis ich vermelden werde: Es ist vollbracht ...

 


Stellen Sie sich vor, Sie spazieren eine Straße entlang, rechts und links Häuser. Wo lugen Sie neugierig über den Zaun, wo würden Sie gern mal klingeln? Dort, wo wilder Wein und Rosen um Türen und Fenster ranken, wo eine blau gestrichene Bank und Lavendeltöpfe zur Siesta einladen? Oder nebenan, wo Betonringe akkurat geschnittenen Rasen begrenzen? Was würden Sie hinter einer Stahltür erwarten? Eine Bauernstube? Was halten Sie von einem Architektenhaus mit Butzenscheiben?


Ein Vorgarten, der neugierig auf das Dahinter macht, eine Tür, die zum Haus passt: Das ist für mich der Titel einer Geschichte. Ich kann nichts schreiben, ohne vorher eine Überschrift dafür zu haben. Natürlich muss diese Ur-Überschrift nicht immer die einzig Denkbare bleiben. Bei meinem Roman Die Wassermühle hatte ich beim Schreiben eine völlig andere Tür im Sinn als die, die später vom Verlag eingebaut wurde. Ich konnte prima damit leben, weil der neue Eingang sogar besser zu meinem Roman-Haus passte als der alte. Doch die Tür muss nicht nur passen, sie muss auch neugierig machen: Schließlich möchte ich, dass Sie bei Ihrem Spaziergang nicht achtlos vorübergehen, sondern die Pforte öffnen und eintreten in meinen Geschichten-Garten.
Aber der Titel hat für mich als Autorin noch eine andere Funktion: Er hilft mir beim Schreiben, den roten Faden nicht zu verlieren. Ich möchte das am Beispiel meines zweiten historischen Romans verdeutlichen.
Zentrales Thema in Die Farbe von Kristall ist die Frage, was Wirklichkeit und was Wahrheit ist. Wie ein Kristall, der, in die Sonne gehalten, das Licht in die Farben des Regenbogens bricht, schillert die Wahrheit in den verschiedensten Facetten – je nachdem, von welcher Seite man sich ihr nähert. Unter dieser Prämisse schrieb ich den ganzen Roman; selbst die Zitate am Anfang des Buches beziehen sich darauf.

Ein idealer Titel hat für mich aber nicht nur eine metaphorische Entsprechung in der Geschichte, sondern möglichst auch eine tatsächliche. Wie das Glashaus, Sinnbild und realer Tatort in meinem ersten Roman, taucht der Kristall in meinem zweiten als Schmuckstück auf, das die Heldin von einem mysteriösen Mann geschenkt bekommt, und darüber hinaus im Zusammenhang mit einer neuen wissenschaftlichen Methode, Blutspuren nachzuweisen.
Außerdem gibt es eine literarische Anleihe, die ich eine Romanfigur zitieren lasse: Johann Wolfgang Goethes Gedicht Entoptische Farben. In einer Strophe heißt es: Und der Name wird ein Zeichen,/Tief ist der Kristall durchdrungen:/Aug in Auge sieht dergleichen/Wundersame Spiegelungen.*

(Auszug aus meinem Buch: Die Sonne der Götter. Schreibgeheimnisse.)




Wie der Titel meines "Neuen" lautet? Ihr wisst doch: Autoren sind ...

Bis bald in meiner Schreibstube :))
Nikola



* Das vollständige Gedicht habe ich auf meine Website eingestellt:
www.nikola-hahn.com/zitate.htm


Hier der Link zum Buch. Wer will, kann ein bisschen in der Leseprobe blättern :)

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