Mittwoch, 11. April 2012

Wofür ich plädiere

Erst einmal vielen Dank für die Reaktionen auf meine Geschichte von Emil, dem Elektriker. Es wurde (u. a. auch im Kommentar von Joachim zum letzten Post) gefragt, ob ich etwa wolle, dass nur noch "Gelernte" schreiben dürften? Natürlich nicht!
Wofür ich plädiere ist, dass derjenige, der sich Autor, Schriftsteller, Journalist oder generell professioneller Schreiber nennt, das Handwerkliche nicht außer acht lassen sollte. Dafür muss ich kein staatliches Gütesiegel haben, sondern einfach mit Ernst bei der Sache sein. Und natürlich ist es ein Unterschied, ob ich journalistische Texte, Unterhaltungsromane oder Lyrik verfasse. Blogger, die zu ihrem privaten Vergnügen schreiben, meinte ich mit meiner Geschichte ausdrücklich nicht, "Emil" zielte überhaupt nicht auf Beiträge in Blogs oder Social Media, sondern bezog sich (vor allem) auf die zunehmende Anzahl derer, die Bücher publizieren und sich Schrifststeller nennen. Ich komme nun mal aus dieser Ecke und habe viele "Berührungspunkte" mit Neuautoren, von denen leider viele glauben, es genüge, eine Idee zu Papier zu bringen und das dann Roman zu nennen. Und die dann (so meine Erfahrung beim Stromern in Leser/Autorenforen) ernsthaft erwarten, dass Leser generös über Rechtschreibfehler, Satz- und Formatdurcheinander hinwegsehen, "weil der Inhalt zählt". Hm. Allein das wäre einen eigenen Beitrag wert.
Aber was das Internet-Schreiben angeht:
Ich bin selbst Bloggerin, ich habe nebenberuflich als Journalistin gearbeitet, schreibe nebenberuflich Romane. Das Netz ist nur ein neues Medium, mit dem es umzugehen heißt. Wir sind da nicht am Ende, sondern erst am Anfang.

Das Handwerkliche wäre also die eine Seite.

WAS aber mit dem Internet zu tun hat, und das wollte ich AUCH mit "Emil" thematisieren, ist die Frage, wie "Werke" zu wertschätzen sind. (Und hier geht es dann auch um anderes als nur Bücher). Wenn ich einen Blogeintrag schreibe, gehe ich davon aus, dass dieser geteilt, zitiert, kommentiert wird. So funktionieren die sozialen Netzwerke. Das praktiziere ich ja selbst. Auch Zeitungsartikel und Kommentare werden so via Facebook etc. verbreitet. Gewährleistet muss sein, dass IMMER die Quelle klar ersichtlich bleibt, auch im Sinne einer Wahrheit der Information. Aber auch im Sinne derer, die diese Information verfasst haben.

Und was das Recht auf Entscheidung  über die Fremdverwertung meine Texte angeht, drehe ich den Spieß einfach um: Das Internet ist ein Medium wie andere auch, mit neuen Möglichkeiten zwar, aber nirgends steht, dass alles, was über dieses Medium verbreitet wird, "Freiwild" ist. Selbst bei Blogtexten sollte man doch die Beiträge von anderen mit so viel Wertschätzung behandeln, dass man das Zitiergebot beachtet, Quellen angibt und, wenn nötig, um Erlaubnis fragt, um längere Paasagen oder ganze Texte (oder auch Bilder) zu übernehmen.

Noch viel mehr gilt das, wenn ich Texte/Bilder/Bücher gewerblich ins Netz stelle (z. B. über Verkaufsplattformen für eBooks oder Bilder in Bildstocks): damit ist ja wohl konkludent erklärt, dass ich gerade NICHT will, dass diese Inhalte jeder einfach weiterverbreiten soll/kann/darf.

Und als Letztes: Eine wirkliche Meinungsfreiheit existiert doch nur dann, wenn ich auch wahre, klare, nachvollziehbare Informationen für meine Meinungsbildung erhalten kann. Das wird aber verhindert, wenn jeder frank und blank ohne Quellennachweis zusammenkopiert und "umkomponiert", wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Was mich im Übrigen auch davon abhält, mich allzusehr auf reine Netzinfos zu verlassen, wenn ich recherchiere. Oft ist die Quellenlage unklar, Links sind nicht mehr vorhanden, oder es ist nicht wirklich nachvollziehbar, woher die Informationen ursprünglich stammen und wer sie aus welcher Intention verfasst und online gestellt hat. Zwar ist auch bei Printmedien eine "Ausrichtung" feststellbar und man muss auch hier genau schauen, was warum von wem veröffentlicht wird, aber wenn ich "Focus", "FAZ" oder die "BILD" lese, habe ich die Möglichkeit einer Standortbestimmung. Die fehlt im Netz in weiten Teilen.

Mit "Emil" wollte ich diese Punkte einfach mal erzählend aufgreifen. Ketzerisch könnte man nun natürlich sagen: Liebe Autorin, wenn Du zu einer Geschichte SO viele Erklärungen geben musst und sie nicht für sich selbst sprechen kann, solltest Du doch noch mal am Handwerk feilen.

Ich gehe in mich. Versprochen.
Schöne Tage!
Nikola

PS: Für die, die nur diesen Beitrag lesen und nicht wissen, wer Emil ist:

Die Geschichte von Emil, dem Elektriker

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die Klarstellung.

    Nun verstehe ich die Geschichte mit dem Friseur. Was das mit der Urheberrechtsdebatte und speziell mit dem Blogartikel von A. Stefanowitsch zu tun hat, verstehe ich nicht.

    Dass sich Schreibende, die ihr Handwerk nicht verstehen, dennoch Autoren, Schriftsteller, Journalistinnen nennen, kann das Urheberrecht nicht verhindern. Ich denke sogar, dass der Staat da nicht eingreifen sollte. Sie sind ja Autoren, Schriftstellerinnen, Journalisten, nur eben schlechte. Früher sind sie an den Redaktionen abgewiesen worden, heute können sie frei im Selbstverlag oder elektronisch publizieren und werden dann einfach nicht gelesen. Die Befürchtung aus Ihrer Geschichte, die Leser könnten Qualität nicht erkennen, teile ich nicht. Sie unterschätzen Ihre Leser.

    Was den zweiten Aspekt betrifft, so bekämpfen Sie einen Strohmann. Mir ist noch niemand im Netz oder Face-to-face untergekommen, der ernsthaft für freies Publizieren fremder Werke unter eigenem Namen plädiert hätte. Es geht in den Diskussionen fast ausschließlich im Nutzungsrechte. Also darum, wer die Werke hören, lesen, sehen darf.

    Wenn ich mir eine mp3 illegal vom Netz herunterladen würde, dann nähme ich dem Künstler oder der Künsterin eben nicht das Werk weg. Ich behaupte ja nicht, dass ich dort singe. Ich mache nur Gebrauch von einem Nutzungsrecht, das ich nicht käuflich erworben habe. Hier muss man unterscheiden und diese Unterscheidung fehlt in vielen der bösen "Briefe an die Netzgemeinde".

    Ich möchte hier nicht für freies Kopieren von Musik plädieren. Aber ist es wirklich jedem Jugendlichen zuhause am PC zumutbar, bei Angeboten im Netz zu prüfen, ob sie legal sind? Das gilt für Musik ebenso wie für Bilder und e-books. Begreifen wir das Internet als einen globalen Marktplatz? Oder ist es eher ein Kommunikationsmittel wie Radio und Fernsehen? Prüfen sie im Radio bei jedem Lied, ob der Sender es legal erworben hat? Ich nicht.

    Ein anderes Ärgernis ist der Kampfbegriff "Kostenloskultur". Sie implizieren mit Ihrer Geschichte, dass etwas was nichts kostet keinen Wert hat. Das stößt uns Bloggern natürlich auf. Darüber ärgern wir uns. Es gibt, wie sie wissen, viele Gründe auch mal einen Text frei ins Netz zu stellen. Die Unterstellung, all diese Werke seien nichts wert, ist Unsinn.

    Niemand, auch nicht A. Stefanowitsch, möchte es verbieten, Werke zu verkaufen. Wir tun es gelegentlich selbst. Aber es kann keinen Rechtsanspruch auf Bezahlung geben. Wo sich kein Kunde findet, gibt es auch keinen Marktpreis. Selbst wenn das Werk künstlerisch wertvoll ist.

    Noch etwas: Sie stellen den Quellennachweis groß heraus. Gerade in Ihrem Metier, dem Roman, sind Quellennachweise aber unüblich. Jeder weiß, dass sich Thomas Mann bei Lev Tolstoi inspirieren lassen hat. Man sieht vielen Fantasy-Romanen an, dass sie Anleihen bei J.R.Tolkien machen. In einem Roman gibt man die Quellen für Ideen nicht an. Man zitiert implizit, weil man erwarten kann, dass die Leser die großen Vorgänger kennen.

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  2. Vielen Dank für die zusätzlichen Erläuterungen.
    Was die Quellenangabe in Romanen angeht: Doch ja, auch da finde ich, wenn es mehr als eine "Idee" ist, gehören die Quellen rein. Mache ich auch so - meine Quellenlisten in den Romananhängen sind ... lang :))

    Ansonsten finde ich, dass der Artikel aus den Stuttgarter Nachrichten, den ich über Facebook verlinkt habe, sehr gut die Dinge auf den Punkt bringt. Besser könnte ich es nicht ausdrücken.

    Mit besten Grüßen
    Nikola Hahn

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