Annabelle Chanson, alias Anna Conda alias A.C. Dacon, die AUTORIN, die im realen Leben Annegritt Müller-Eckehardt heißt, in einem Reihenendhaus wohnt und ihre Brötchen je nach Trend mit Liebesschmonzetten, Histoschinken oder Regiokrimis verdient, was ihr nachgerade zum Hals heraushängt. Um nicht durchzudrehen, schreibt sie nebenbei heimlich Kochbücher und Gedichte.
Verlagsgespräche. (1)
(Ein
Reihenendhaus am Rand von Frankfurt. Schreibstube unterm ausgebauten Dach.
Bücher allüberall. Ein Schreibtisch. PC, zwei Monitore. Aus dem Handy dudelt Smoke on the Water.)
Annabelle
Chanson (nimmt ab): Ja?
Lektorin: Guten
Tag, Anne. Wir müssten mal ein paar Dinge besprechen.
AC: Ich dachte,
der neue ist draußen?
Lektorin: Ja,
ja, alles bestens. Die Auslieferung läuft auf vollen Touren, und die
Vorbestellzahlen sind ja wirklich ordentlich. Sogar kleinere Läden haben ganz
gut geordert.
AC: Das freut
mich.
Lektorin: Ja,
wir haben aber diesmal auch wirklich ein gutes Marketingkonzept.
AC: Aber?
Lektorin: Ja,
also … Bitte, dass Sie mich nicht falsch verstehen, Anne. Aber ich bin ja nicht
allein im Verlag. Und es war schon etwas schwierig dieses Mal, den Titel so
durchzusetzen.
AC: Der
Vorgänger erscheint in der vierten Auflage! Die Anzahl der Leser steigt von
Band zu Band!
Lektorin: Ähm,
nun … Für den Moment mag das noch stimmen. Man muss aber auch sehen, dass wir
einen wirklich hohen Aufwand betreiben, um die Bücher am Markt zu
positionieren.
AC: Könnten Sie
mir endlich mal sagen, was los ist?
Lektorin: Wir
kennen uns ja schon eine Weile, und das ist ja nicht das erste Buch, das wir
zusammen machen. Und es geht auch gar nicht um die Leidenschaften. Das läuft schon alles ganz gut.
AC: ABER?
Lektorin: Sie
kennen vielleicht die Kitty-Krimis?
AC: Ja …
Lektorin: Ich sage es ungern: Aber die haben
Verkaufszahlen, da können wir nur davon träumen. In der letzten Vertreterkonferenz
kam daher die Idee auf, eine ähnliche Serie auch in unserem Verlag zu
etablieren. Die Regionalkrimis boomen derzeit wie verrückt. Und die Prognosen
in diesem Segment sind hervorragend, während bei den historischen Romanen doch
eher … nun ja.
AC: Ach.
Lektorin: Seien
Sie bitte nicht enttäuscht. Aber ich glaube, dass wir für Ihren nächsten Roman
nicht mehr dieses Werbebudget zur Verfügung haben werden. Natürlich hängt das
auch von den endgültigen Verkaufszahlen ab, aber mittelfristig werden wir den
Programmschwerpunkt wohl eher auf den Kriminalroman mit regionalem Bezug legen.
AC: Sagen Sie
bloß, Sie haben diese Kitty-Autorin eingekauft?
Lektorin: Leider
nein. Aber wir brauchen was Ähnliches, das aber auch genügend unterscheidbar
ist, dass die Leute Lust haben gerade diese neue Serie zu lesen.
AC: Und da
dachten Sie an mich?
Lektorin:
Schwierig, ich weiß. Es ist auch nicht geplant, die Leidenschaften einzustellen. Die Verkaufszahlen sind ja derzeit
noch ganz gut. Aber vielleicht könnten Sie außerdem noch was für die Zielgruppe
der Kitty-Leserinnen schreiben? Ich dachte an einen Band pro Jahr, ca. 400
Normseiten, weibliche Heldin, am besten eine Kommissarin mit dem gewissen Etwas.
Auf jeden Fall viel Lokalkolorit. Vielleicht mit der Location Frankfurt?
AC: SIND SIE
VERRÜCKT? Ich schreib doch nicht über die Stadt, in der ich wohne!
Lektorin: Die
Stadt ist ja eigentlich egal. Es kann auch eine bestimmte Gegend sein.
AC: Allgäu und
Eifel sind schon vergeben.
Lektorin: Sie
machen es also? Bis wann könnte ich das Exposé und eine erste Leseprobe haben?
AC: Zur Messe?
Lektorin: Ja, gut.
Wenn Sie mir vorher schon, gern auch formlos, eine Grundidee übermitteln
könnten? Das wäre prima! Ich könnte dann intern schon mal avisieren …
AC: Und welches
lokale Setting hat man intern so im Auge - außer Frankfurt? Damit ich nicht
wieder fünfmal umdisponieren muss?
Lektorin
(lacht): Sie sind die Schriftstellerin. Denken Sie sich halt was aus!
(Eine Reminiszenz an den "Verlag ohne Bücher". Ein interaktives Schreibprojekt von Nikola Hahn, das mit dem realen Leben, darauf legt die Verfasserin großen Wert, aber rein gar nichts zu tun hat.)
Fortsetzung folgt ...