Donnerstag, 12. April 2012

Alte Geschichten, neue Geschichten ... und eine Reise zu Tutanchamun

Schon seit einiger Zeit stand das alte Ägypten auf meiner "To-do-Liste", und gestern war es endlich so weit: Wir haben die Ausstellung "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze" besucht, die noch bis zum Juni in Frankfurt gastiert. Natürlich hatten wir eine Erwartung, und die Website ließ ja auch schon einen Eindruck dessen zu, was wir zu sehen bekommen würden.

Als erstes sahen wir dann eine Schlange am Kassenschalter ... hm. Jeder Besucher bekam ein Audiogerät zur Erklärung der Exponate. Mag ich eigentlich nicht besonders, weil ich lieber (selber) lese. Tja, und dann ging es in einen Raum mit ersten Exponaten - und nicht weiter. Es gab eine Schleuse zu einem Filmvorführraum, in den immer nur achtzig Leute hineingelassen wurden. Aber das Warten war nicht schlimm, denn schon im Vorraum konnte man erste Eindrücke über das alte Ägypten sammeln, und ich lernte den Vorteil des Geräts kennen: entspannt zuhören und betrachten, egal, wie viele Leute im Weg stehen :)

Und dann war es soweit ... Wir begaben uns auf die Reise. Ich nehme das Fazit vorweg: Eindrucksvoll wäre zu wenig gesagt. Es war einmalig! Wir bekamen keine Ausstellung zu sehen, wie man sie üblicherweise erwartet, sondern es wurde eine Geschichte erzählt, und in dieser Geschichte spielte der Entdecker des Grabes, Howard Carter, mehr als eine bloße Statistenrolle: In einem Film wurde er lebendig und mit ihm die Geschichte nacherlebbar, die mit diesem Grab eng verbunden ist. Wir wanderten durch die Welten, und durch die individuellen Stimmen aus dem Audiogerät konnte man die Stimmen dieser Welten auch individuell hören. Obwohl so viele Menschen um uns herum waren, blieb Platz fürs In-Sich-Gehen, Sinnieren, Nachfühlen, Nacherleben. Von der alten Welt der Ägypter über das Leben von Howard Carter führte die Zeitreise weiter zum Höhepunkt der Ausstellung: der Entdeckung des Grabes. Nun sprach Carter selbst zu uns, wir gingen mit ihm zusammen diesen Weg, so, wie er ihn vor neunzig Jahren gegangen war.  Wir erlebten die Spannung und Faszination, das erste Loch in der Mauer, der Kerzenschein, der auf goldene Betten und ein Sammelsurium unterschiedlichster Gegenstände fällt. Dann die Öffnung des eigentlichen Grabes, gezeigt auf einer Gaze-Leinwand - die Ahnung des Schatzes dahinter in blassem Licht schon sichtbar: Hoffnung, Erwartung, die sich erfüllt und übertroffen wird. Und dann der Gang ins Allerheiligste: die Kammer mit dem Kanopen-Schrein, in dem, bewacht vom hundegestaltigen Gott Anubis und vier Göttinnen, die Eingeweide des Pharaos beigesetzt sind.
Danach begann die "eigentliche" Ausstellung - die Besucher konnten nun die Einzelheiten der Grabkammer bestaunen, deren Zentrum die ineinander verschachtelten Grabschreine und die drei Särge für die Mumie Tutanchamuns bildeten.

Ein Grund, warum wir uns doch länger überlegt hatten, ob wir die Ausstellung besuchen, war die Frage, inwieweit es Repliken vermögen, einen authentischen Eindruck zu hinterlassen, diese Aura zu vermitteln, die Originalen eigen ist, die zugleich neben ihrer Äußerlichkeit einen Odem der Zeit zu verströmen scheinen, in der sie entstanden sind. Die Sorge war unbegründet, denn diese Ausstellung will mehr: Sie will nicht nur Fakten und Einzelheiten zeigen, sondern vor allem eine Geschichte erzählen, das Gespür der Unmittelbarkeit des Zusammenhangs herstellen. Die Ausstellung zeigt nicht die Realität, aber ein so liebevolles, detailliertes, spannend erzähltes Abbild davon, dass es ein sinnliches Vergnügen war, sich auf diese Geschichte einzulassen.

Dass das kein Zufall war, sondern das Resultat langer und akribischer Planung, hoher Handwerkskunst (alle Repliken wurden in ausgesuchten Handwerkerstätten in Ägypten hergestellt), gepaart mit einer Leidenschaft der vielen Beteiligten für das Projekt, dessen Gelingen keinesfalls garantiert war, ließ meinen Respekt für diese Leistung noch im Nachinein steigen. Carter, der zehn Jahre damit verbrachte, das Inventar dieser Schatzkammern akribisch zu dokumentieren und zu konservieren, hätte bestimmt seine Freude daran gehabt.

Handwerk, Beharrlichkeit, Leidenschaft, Geduld, Zeit: Es sind die gleichen Zutaten, die einst diese Geschichte ans Licht  brachten und die es jetzt ermöglichten, sie neu zu erzählen. 

Bis bald in der Stube
Nikola

Mittwoch, 11. April 2012

Wofür ich plädiere

Erst einmal vielen Dank für die Reaktionen auf meine Geschichte von Emil, dem Elektriker. Es wurde (u. a. auch im Kommentar von Joachim zum letzten Post) gefragt, ob ich etwa wolle, dass nur noch "Gelernte" schreiben dürften? Natürlich nicht!
Wofür ich plädiere ist, dass derjenige, der sich Autor, Schriftsteller, Journalist oder generell professioneller Schreiber nennt, das Handwerkliche nicht außer acht lassen sollte. Dafür muss ich kein staatliches Gütesiegel haben, sondern einfach mit Ernst bei der Sache sein. Und natürlich ist es ein Unterschied, ob ich journalistische Texte, Unterhaltungsromane oder Lyrik verfasse. Blogger, die zu ihrem privaten Vergnügen schreiben, meinte ich mit meiner Geschichte ausdrücklich nicht, "Emil" zielte überhaupt nicht auf Beiträge in Blogs oder Social Media, sondern bezog sich (vor allem) auf die zunehmende Anzahl derer, die Bücher publizieren und sich Schrifststeller nennen. Ich komme nun mal aus dieser Ecke und habe viele "Berührungspunkte" mit Neuautoren, von denen leider viele glauben, es genüge, eine Idee zu Papier zu bringen und das dann Roman zu nennen. Und die dann (so meine Erfahrung beim Stromern in Leser/Autorenforen) ernsthaft erwarten, dass Leser generös über Rechtschreibfehler, Satz- und Formatdurcheinander hinwegsehen, "weil der Inhalt zählt". Hm. Allein das wäre einen eigenen Beitrag wert.
Aber was das Internet-Schreiben angeht:
Ich bin selbst Bloggerin, ich habe nebenberuflich als Journalistin gearbeitet, schreibe nebenberuflich Romane. Das Netz ist nur ein neues Medium, mit dem es umzugehen heißt. Wir sind da nicht am Ende, sondern erst am Anfang.

Das Handwerkliche wäre also die eine Seite.

WAS aber mit dem Internet zu tun hat, und das wollte ich AUCH mit "Emil" thematisieren, ist die Frage, wie "Werke" zu wertschätzen sind. (Und hier geht es dann auch um anderes als nur Bücher). Wenn ich einen Blogeintrag schreibe, gehe ich davon aus, dass dieser geteilt, zitiert, kommentiert wird. So funktionieren die sozialen Netzwerke. Das praktiziere ich ja selbst. Auch Zeitungsartikel und Kommentare werden so via Facebook etc. verbreitet. Gewährleistet muss sein, dass IMMER die Quelle klar ersichtlich bleibt, auch im Sinne einer Wahrheit der Information. Aber auch im Sinne derer, die diese Information verfasst haben.

Und was das Recht auf Entscheidung  über die Fremdverwertung meine Texte angeht, drehe ich den Spieß einfach um: Das Internet ist ein Medium wie andere auch, mit neuen Möglichkeiten zwar, aber nirgends steht, dass alles, was über dieses Medium verbreitet wird, "Freiwild" ist. Selbst bei Blogtexten sollte man doch die Beiträge von anderen mit so viel Wertschätzung behandeln, dass man das Zitiergebot beachtet, Quellen angibt und, wenn nötig, um Erlaubnis fragt, um längere Paasagen oder ganze Texte (oder auch Bilder) zu übernehmen.

Noch viel mehr gilt das, wenn ich Texte/Bilder/Bücher gewerblich ins Netz stelle (z. B. über Verkaufsplattformen für eBooks oder Bilder in Bildstocks): damit ist ja wohl konkludent erklärt, dass ich gerade NICHT will, dass diese Inhalte jeder einfach weiterverbreiten soll/kann/darf.

Und als Letztes: Eine wirkliche Meinungsfreiheit existiert doch nur dann, wenn ich auch wahre, klare, nachvollziehbare Informationen für meine Meinungsbildung erhalten kann. Das wird aber verhindert, wenn jeder frank und blank ohne Quellennachweis zusammenkopiert und "umkomponiert", wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Was mich im Übrigen auch davon abhält, mich allzusehr auf reine Netzinfos zu verlassen, wenn ich recherchiere. Oft ist die Quellenlage unklar, Links sind nicht mehr vorhanden, oder es ist nicht wirklich nachvollziehbar, woher die Informationen ursprünglich stammen und wer sie aus welcher Intention verfasst und online gestellt hat. Zwar ist auch bei Printmedien eine "Ausrichtung" feststellbar und man muss auch hier genau schauen, was warum von wem veröffentlicht wird, aber wenn ich "Focus", "FAZ" oder die "BILD" lese, habe ich die Möglichkeit einer Standortbestimmung. Die fehlt im Netz in weiten Teilen.

Mit "Emil" wollte ich diese Punkte einfach mal erzählend aufgreifen. Ketzerisch könnte man nun natürlich sagen: Liebe Autorin, wenn Du zu einer Geschichte SO viele Erklärungen geben musst und sie nicht für sich selbst sprechen kann, solltest Du doch noch mal am Handwerk feilen.

Ich gehe in mich. Versprochen.
Schöne Tage!
Nikola

PS: Für die, die nur diesen Beitrag lesen und nicht wissen, wer Emil ist:

Die Geschichte von Emil, dem Elektriker

Montag, 9. April 2012

Der Bahnhof und ich

Es gibt Dinge, für die ich meine Schreibstube ganz gern mal verlasse ;) Das Projekt Respekt.tv war ein solcher Termin. Hat wirklich Spaß gemacht ;)






Der Bildband »Respekt! 100 Frauen - 100 Geschichten«

Begleitend zur Initiative hat das »Respekt!« Team zahlreiche Interviews geführt. Herausgekommen ist der Bildband »Respekt! 100 Frauen - 100 Geschichten« in dem Sportler, Musiker, Schauspieler und viele andere prominente und engagierte Menschen auf sehr persönliche und berührende Weise von ihren Erlebnissen und Erfahrungen im Umgang mit Respekt berichten. Sie ergreifen Partei, setzen sich ein, zeigen Zivilcourage und machen deutlich was Respekt alles bedeuten kann.

Die Heidelberger Band Irie Révoltés hat eigens für die Initiative den Song »Viel zu tun!« herausgebracht, der sich auf Youtube großer Beliebtheit erfreut. Alle Interviews und der Musiksong sind als hochwertige Videoclips auf 2 DVDs dem Bildband beigelegt.

Mehr Informationen (und mich als Botschafterin) findet ihr auf  Respekt.tv

Das Buch kann auf der Respekt-Seite komplett durchgeblättert werden - es gibt es aber natürlich auch bei amazon ... Vielleicht noch der Hinweis: NEIN, an diesem Buch verdienen die Mitwirkenden NICHTS. Das ist ein Nonprofit-Projekt! Und das ist auch gut so :)






Sonntag, 8. April 2012

Die Freiheit zu entscheiden

Ich weiß nicht, ob es Leser interessiert, aber "uns" Schreiber interessiert das schon: Die seit Monaten schwelende Urheberrechtsdebatte, die ja, bei näherer Betrachtung, alles "beieinand schmeißt": die Rechteverwerter, die Nutzer, die Netzgemeinde, die Contentindustrie, die Künstler, die Nichtkünstler, und andere Gruppierungen mehr, aber meistens eben mit dem Zusatz "DIE". Alles rein in den großen Topf und dreimal umgerührt, dann aufs Feuer und ordentlich Öl drübergegossen, damit nach dem großen Brand bloß keine Reste bleiben, über die man vernünftig diskutieren könnte.

Fakt ist, dass durch die Möglichkeiten des WWW Dinge sich verändert haben, sich verändern und weiter verändern werden, auch Nutzungsverhalten, auch die "Verwertung von Content", was jetzt auch wieder nur eine Zusammenfassung vieler Dinge und Inhalte bezeichnet. Schreiber interessiert das, Schreiber regt das nicht nur auf, es macht sie betroffen, traurig, verzweifelt, ratlos, wütend, hier und da auch unsachlich. Weil es schwer fällt zu verstehen, was da eigentlich "abgeht": Es ist nicht der Auftakt zu einer überfälligen, konstruktiven, vielleicht auch kontroversen Diskussion, wie man sie in einem demokratischen Gemeinwesen erwarten würde, sondern der Ausbruch eines Krieges zu beobachten, und von einigen wird so wild geschossen, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass sie insgeheim nur darauf gewartet haben, ihre Truppen endlich aufeinanderzuhetzen. Man brauchte womöglich nur die nötigen Fronten, man brauchte klar zu definierende, also "gute" Feinde.
Nun mag es Menschen geben, die die Dinge nicht überschauen, die nicht betroffen sind, aber trotzdem eine Meinung haben oder eine glauben haben und auch veröffentlichen zu müssen. Das Netz macht es möglich. Es gibt Entgleisungen und viel Halbwissen, viel Emotion, viel Unsinn, manchmal mittendrin durchaus diskutable Ansätze, die aber gern und pronto mit neuem Öl begossen werden. Bloß  keine Ansätze zum Weihnachtsfrieden. Das war schon anno 1914 kontraproduktiv: zu entdecken, dass das Volk hüben wie drüben gleichermaßen denkt und fühlt.
 
Fröhliches Hauen und Stechen also. Man erinnert sich an die Zeiten des Ostblocks, Kriege wurden inzwischen kalt geführt und Begriffe hüben wie drüben konträr gedacht und definiert. Über die Inhalte von Demokratie und Freiheit ergebnisorientiert zu reden, mit einem staatstreuen Politiker der DDR, die ja die Demokratie sogar im Namen trug? Unvorstellbar.  Nach 1989 hatte man die Illusion, solcherlei sei überwunden.  Aber wo sind wir, bitte, hingeraten? In eine Gesellschaft, in der nicht mehr nur Begriffsdefinitionen, sondern gleich der Begriff als solcher in Frage gestellt wird? Da fällt mit dem Diskutieren die Sprache gleich mit weg: Wie soll man eine Brücke bauen, wenn der Boden fehlt? Und doch werden die Fahnen fröhlich weitergeschwenkt, auf denen das Mantra der Moderne steht: "Geistiges Eigentum existiert nicht!" Welche Missachtung liegt in diesem Satz, welche Anmaßung.   
 
 
Schlimm ist es schon, wenn irgend jemand Öl ins Feuer gießt, aber wenn es dann noch Menschen tun, von denen man genau das nicht erwartet, weil man sie vielleicht für streitbar, aber sicher nicht für infam hält, Menschen, von denen man glaubte, dass sie die Wirkung von Brandbeschleunigern kennen; Menschen, denen man nicht einmal Fahrlässigkeit unterstellen kann oder Unwissenheit. Menschen, denen man die Fähigkeit zu differenzieren nicht nur zutraut, von denen man sie nachgerade verlangen muss, von denen man Unbequemes, Bissiges erwarten mag, aber bestimmt nicht das Gebrüll der Meute, die rausschreit, was sie schon so lange schreien will, weil es guttut, nach dem Schuldigen zu suchen, und weil es so einfach ist, ihn in einer Gruppe zu verorten, die mit "DIE" beginnt. Die anderen. Die Bösen. Die, die schuld sind. Das enttäuscht nicht nur, das erschüttert.

Wo gehen wir hin, wo wollen wir hin? Für uns Schriftsteller entscheiden das vor allem auch die Leser. Eines aber eint uns, die wir Geschichten schreiben: Wir möchten gern selbst entscheiden, wann und wie wir sie in die Welt hinaus lassen, und zu welchen Bedingungen. Und wir möchten, dass die Arbeit, sie zu schreiben, wertgeschätzt wird. Das ist, glaube ich, nicht zu viel verlangt.

Man mag offene Briefe (1) und Antworten auf offene Briefe (2) gut und differenziert finden, man kann sie falsch finden, unausgegoren oder anregend und diskutabel, ebenso wie Artikel (3), Kommentare, Glossen. Das alles bewegt, regt auf, regt an. Aber dann stößt man in all dem Wortgeklingel auf den einen Beitrag, der einen schlichtweg fassungslos macht. Geschrieben von einem Professor für Linguistik, veröffentlicht in einem Blog, das sich wissenschaftlich nennt (4). Eine ganze Flasche Öl, genüsslich ausgeschüttet über all der vorhandenen Glut. Da reicht der rote Button nicht mehr. Da braucht es eine Replik. Am besten eine Geschichte. Weil ich keine Opernsängerin bin, sondern Schriftstellerin.


Bis bald im Stübchen.
Nikola

Die erwähnten Blogs/Beiträge:

(1)
Offener Brief von 51 Tatort-Autoren
29. März 2012- 14:11
http://www.drehbuchautoren.de/nachrichten/2012/03/offener-brief-von-51-tatort-autoren-0


(2)
Antwort auf den offenen Brief der Tatort-Drehbuchschreiber
2012-03-29 17:30:00, zas (51 Hacker des Chaos Computer Clubs)
http://ccc.de/updates/2012/drehbuchautoren


(3)
Urheberrecht. 29.3.2012, Spiegel Online/
"Tatort"-Autoren beschimpfen "Netzgemeinde"
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,824649,00.html

(4)
Anatol Stefanowitsch – Offener Brief an die Contentindustrie
06. April 2012, 02:50
http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachwandel/2012-04-06/offener-brief-an-die-contentindustrie



Mittwoch, 4. April 2012

Sonne. Sammeln.

Wie macht man das eigentlich - Stoff sammeln für ein Buch? Das ist eine der Fragen, die ich von Lesern des Öfteren gestellt bekomme. Die Antwort kann ich natürlich nur für "meine Schreibstube" geben - sicher haben andere Autoren andere "Methoden". Bei mir steht am Anfang die Idee zu einem Thema (und es ist völlig gleichgültig, ob das nun ein Roman, eine Kurzgeschichte oder sogar, wie derzeit, ein Fachbuch werden wird), und danach folgt sehr bald eine Liste mit Literatur, die ich dazu lesen will. Teils recherchiere ich auch im Netz; soweit es sich um einzelne Begriffe handelt, hilft Wikipedia oft schon weiter. Allerdings verlasse ich mich sehr selten nur auf diese Quelle, sondern schaue meistens noch nach weiteren. Zum Anfang eines "Schreibprojekts" ist mein "Literaturfahrplan" allerdings ebesowenig vollständig wie es meine Geschichte (oder das Sachthema) sind: Vielmehr entstehen beim (Weiter-)Schreiben meistens weitere Fragen, die weitere Literaturrecherchen erfordern. Sehr gerne nehme ich nach wie vor Print-Ausgaben zur Hand, weil man in Bücher so schön gelbe Post-its kleben und Anmerkungen schreiben kann. Ich weiß: Man kann das längst auch elektronisch, aber da bin ich gern von gestern, weil mir die Bücherstapel einfach "griffiger" sind. Deshalb sieht es bei mir in solchen Phasen auf dem Schreibtisch etwas chaotisch aus, und es gibt durchaus Unterphasen in dieser Zeit, in denen mich das Gefühl beschleicht, diese Sekundärliteratur im Leben nie durcharbeiten zu können. Aber bislang hat es immer prima funktioniert.

Je nach Schreibprojekt sind die Stapel natürlich unterschiedlich hoch: Beim "Garten der alten Dame" waren es nicht so viele, weil ich bei dieser Geschichte sehr viel aus der Fantasie und meinem (schon vorhandenen ) Gartenwissen schöpfen konnte. Nichtsdestotrotz habe ich auch für dieses Buch einige "Bücherreisen" gemacht, die allerdings zu den sehr angenehmen Recherchearbeiten gehörten, denn es handelte sich um Ausflüge in Künstlergärten, zum Beispiel in Monets Seerosengarten nach Giverny, oder zu Vita Sackville-West nach Sissinghurst Castle - oder, sogar in natura, zu Max Liebermann nach Berlin. Das macht Freude!

Für das Fachbuch gibt es hingegen viel "Sekundäres" zu lesen, das man nicht unbedingt als "spannend" einstufen würde, Kommentierungen zu Gesetzestexten zum Beispiel - aber es gibt eben auch sehr interessante Lektüre, die ich (im vergangenen Jahr) sogar mit an die Sonne zum Badesee genommen habe: Friedemann Schulz von Thuns Reihe "Miteinander reden" liest sich nicht nur leicht, sondern gibt Einsichten, die auch jenseits eines Fachbuches über Vernehmung lehrreich sind. Tja, und so kann ich meine "Stoffsammlung" auch hin und wieder in der Sonne genießen.

Heute allerdings habe ich nichts gesammelt, obwohl ich voller Genuss im Garten gesessen habe: Vorm Schreibstübchen in der Sonne das Plätschern des Bachs gehört und einfach nur die Seele baumeln lassen. Nach Wochen voller Arbeit war das einfach ... schöööööön.

Bis bald in der Stube!
Nikola

Sonntag, 25. März 2012

Loslassen

Oh jemine! Da war mein Postkasten aber rappelvoll, nachdem ich die Info über den neuen Roman rausgehauen hatte, und der Tenor war eindeutig: Ich würd`s ja so gern lesen, Dein neues Buch! So lange drauf gewartet. Endlich haste wieder mal einen Roman geschrieben! Klasse, das! ABER WARUM als eBook?? Und dann ging es ungefähr so weiter:
  • Ich hab keinen Reader ...
  • Ich will keinen Reader!
  • Ich hasse Reader!
  • Ich will Papier!
  • Wann kommt es auf Papier?
  • Wie kannst Du nur?
  • Ich würde ja gern, aber wie soll ich ohne Gerät?
  • Schreib mir sofort, wenn es auf Papier erscheint!

Tja, da habe ich offenbar das falsche Medium gewählt? Nee, im Ernst: Ich hatte die Wahl zwischen "so" oder gar nicht. Und nachdem es von der ersten Idee bis zur Verwirklichung des Romans nun schon vier Jahre gedauert hat, habe ich mich für diesen Kompromiss entschieden. Immerhin ist es ja ein Trost, dass Ihr das Kindchen gern liebhaben würdet, wenn es nicht die vermaledeite Brücke brauchte, um zu ihm hinzukommen :))

Und ich muss es nun loslassen, das Kind(le), denn in meiner Schreibstube stapeln sich die Sachtexte und Sekundärliteratur über Vernehmungstaktik, dass ich kaum noch über den Schreibtisch lunsen kann. Auch an diesem Projekt arbeite ich schon seit Jahren; meine Kollegen in Hessen haben den Vorteil, dass sie in meinen Seminaren zumindest eine "Skriptversion" erhalten, die ich allerdings nun ausbauen möchte, zumal ich regelmäßig Anfragen von sonstwoher bekomme. Und so wird mein Schreibstübchen jetzt wieder zu einem Sachtextstübchen, aber auch wenn das Nüchterne bis auf Weiteres Vorrang hat: Das Schöngeistige lasse ich nicht ganz los, versprochen! Und als nächstes folgt die Antwort auf die Frage, die in den Mails mindestens genauso oft gestellt wurde wie die nach der Garten-der-alten-Dame-Printversion: Wann kommt verflixt noch mal der nächste historische Roman, und warum brauchst Du dafür so lange???

Ich wünsche Euch einen wunderschönen Sonntag! Genießt die Sonne, und wenn es wieder regnet, könnt Ihr ja mal bei mir im Garten vorbeischauen:


 http://baumgesicht.blog.de

Bis bald!
Eure Nikola

Donnerstag, 22. März 2012

Aus eins mach zwei

Was für ein Zufall: Da ist mein erstes eBook gerade mal einige Tage online, und ich bekomme eine Nachricht von Books on Demand, dass demnächst auch meine Märchensammlung "Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam" als eBook erscheinen wird. Inzwischen ist es bei amazon.de eingestellt.

Wie kam es dazu? Als vor vielen Jahren die Idee des Books on Demand aufkam, war ich, ebenso, wie ich es jetzt beim eBook bin, neugierig auf dieses neue Medium. 1999 veröffentlichte ich einen Artikel zum Thema Books on Demand in der Autorenzeitschrift IGdA-aktuell; - liest man das heute, könnte man das BoD fast nahtlos durch eBook ersetzen :) Eine neue Art der Publikation damals wie heute. Für meine Romane hatte ich zwar ein Verlagshaus, aber nicht für meine "Kleinprojekte", die auch in einem Publikumsverlag fehl am Platze gewesen wären. Und so kam es, dass ich drei Bücher bei BoD verlegte. Als dann die eBooks aufkamen, stellte ich fest, dass mit dem Vertrag bei BoD auch die eBooks-Rechte dorthin vergeben waren. Die Herausgabe hätte aber (nochmals) Geld gekostet. Das wollte ich nicht.
Vor einiger Zeit kam dann BoD auf mich zu: Ob ich etwas dagegen hätte, wenn man das "Schneeglöckchen" (ohne Zusatzkosten) in die gängigen eBook-Formate konvertiere.
Nein, hatte ich nicht. Aber nach dieser langen Zeit hatte ich nicht mehr damit gerechnet, dass das wirklich noch umgesetzt wird - zumal auch die vergebenen eBook-Rechte für meinen Roman "Die Detektivin" seit fast einem Jahr ungenutzt sind.

Nun ist es also soweit, und mit dem Blick vor allem auf mein "Erst-Kindle":
  • Ich würde ein eigenes Titelbild entwerfen.
  • Ich würde den Preis niedriger ansetzen, da die Print-Ausgabe ja auch nur 4,90 € kostet.
  • Ich würde den Text anders setzen, damit in der Vorschau auch tatsächlich etwas Gescheites zu lesen wäre.
Aber ich freu mich, dass mein "kleinstes Kind" jetzt auch auf der eBook-Welt ist :)
Bis demnächst in der "Stube" :)




Nachtrag vom 22.4.2012
Hoffentlich kauft niemand dieses Buch!!
(Text am 22.4.2012 eingestellt auf meiner Facebookseite)

Freude - Entsetzen - Erleichterung, so lässt sich am ehesten meine Gefühlsskala beschreiben, seit meine kleine Märchensammlung "Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam" als eBook erschienen ist. Zur Erinnerung an meine Mutter hatte ich die kleine Märchensammlung vor drei Jahren als Book on Demand verlegt; das Angebot, es auch als eBook herauszubringen, kam von BoD. Ich war gespannt - immerhin handelt es sich um eine illustrierte Ausgabe, und ich wusste ja von meinem Roman "Der Garten der alten Dame", dass die Einbindung von Bildern bei eBooks schon ein  bisschen fordert. Ich mach`s kurz: Da ich ein neugieriger Mensch bin, habe ich das Buch selbst gekauft und war entsetzt! Da schreibe ich in meinem Blog seitenlang darüber, wie wichtig ich es finde, Bücher nicht nur schön zu schreiben, sondern auch schön zu machen – und dann diese lieblose Umsetzung! Nein, das ging gar nicht.

Meiner Bitte, dieses Buch umgehend wieder zu löschen, wurde glücklicherweise recht rasch entsprochen. Ich glaube, es kommt selten vor, dass ein Autor sich wünscht, dass die Leser sein Buch NICHT kaufen. Also jetzt: Erleichterung und ein fröhlicher Link zur Papiervariante, hinter der ich nicht nur inhaltlich, sondern auch layouterisch stehen kann:



... und ein (ergänzender) Kommentar der Autorin bei amazon.de
Nachtrag vom 22.4.2012
Es meldet sich noch mal die Autorin :)
Nachdem ich mir die Kindle-Version selbst heruntergeladen hatte (Belegexemplare gibt es dazu ja nicht), war ich so entsetzt über die layouterische Umsetzung, dass ich das eBook habe löschen lassen. Die Begründung von BoD, das schlechte Ergebnis liege am Kindle, vermochte ich nicht nachzuvollziehen, da ich selbst meinen (weit aufwendiger illustrierten) Roman "Der Garten der alten Dame" als Kindle Edition herausgebracht habe. Eine andere Ausgabe des "Schneeglöckchens" als eBook ist aufgrund der vertraglichen Bindung bis auf Weiteres nicht möglich. Es gibt das "Schneeglöckchen" also ab sofort wieder "nur" als farbig illustrierte Papierversion. Sorry for that!
Nikola Hahn